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Keinen Appetit auf Atom-Ei mit Bombenuran

■ Erörterung zum neuen Garchinger Atomforschungsreaktor beginnt / Proteste der US-Regierung / Brennstoff-Versorgung ebenso ungeklärt wie die Entsorgung

München (taz) – Heute beginnt in München der Erörterungstermin im Genehmigungsverfahren zum Bau des umstrittenen neuen Garchinger Atom-Eies. Der Forschungsreaktor FRM-II soll Neutronen produzieren, die unter anderem in der Materialforschung, der Molekularbiologie und der Medizin gebraucht werden.

Verhandelt wird mit einem Millionenaufwand über mehr als 50.000 Einwendungen, die Ende Dezember beim bayerischen Umweltministerium gegen den ersten Reaktorneubau in der Bundesrepublik nach Tschernobyl eingegangen waren. Neben den formalen Einwendungen im atomrechtlichen Genehmigungsverfahren, die von Privatpersonen, Kommunen wie der Landeshauptstadt München, aber auch der Salzburger Landesregierung erhoben wurden, regt sich auch Protest der amerikanischen Regierung.

Stein des Anstoßes sind Pläne der Garchinger Reaktorbauer, den geplanten Atommeiler mit bombenfähigem hochangereicherten Uran zu befeuern. Die Vereinigten Staaten, so berichtete die Financial Times Mitte April, hätten Deutschland zum Überdenken seiner Pläne aufgefordert, weil damit zehn Jahre währende Bemühungen, nukleare Proliferation zu vermeiden, behindert würden. Das US-Außenministerium habe diese Bedenken der deutschen Regierung mitgeteilt. US-Botschafter Richard C. Holbrooke schrieb an den Münchner Oberbürgermeister Christian Ude (SPD): „Das Energieministerium der USA rät bereits seit einigen Jahren vom Gebrauch hochangereicherten Urans in ausländischen Forschungsreaktoren ab.“ Eine Veröffentlichung des gesamten Briefes lehnte die Botschaft ab; es handele sich um „Privatkorrespondenz“. Die amerikanische Haltung bleibt für die Versorgung des geplanten Reaktors nicht folgenlos. Auch wenn es kein generelles Exportverbot für derartige Kernbrennstoffe aus den USA in Länder wie Deutschland gebe, so heißt es in dem Brief, „werden solche Anfragen meist abgelehnt.“

Die Technische Universität München als Betreiberin des Atom-Eies gibt sich bei Anfragen zu Ver- und Entsorgung des neuen Reaktors betont optimistisch. Projektleiter Klaus Böning verweist auf Brennstoff, der in der schottischen Wiederaufbereitungsanlage Dounreay aus den nie benötigten Kugelbrennelementen des gescheiterten Thorium-Hochtemperaturreaktors THTR Hamm-Uentrop extrahiert wird. Bei dem Auftrag der Hanauer NUKEM von 1989 geht es um insgesamt 360 Kilogramm. In Garching werden jährlich 40 Kilogramm des Bombenmaterials benötigt. Verträge, wonach die TU das hochangereicherte Uran über die NUKEM aus Dounreay beziehen kann, hat Böning bislang allerdings noch nicht vorgelegt. So halten sich denn auch hartnäckig Gerüchte, daß die Garchinger Physiker an Verhandlungen mit Rußland zur Lieferung des brisanten Stoffes denken.

Ein Spiegelbild der Versorgung mit dem auf 93 Prozent angereicherten Uran bildet seine Entsorgung. Noch bei keinem Atomprojekt zuvor wurde der Verbleib des abgebrannten Materials so vage formuliert. So ist im Sicherheitsbericht nur noch von einem deutschen Endlager die Rede, ohne die Namen Gorleben oder Schacht Konrad auch nur zu erwähnen.

Real setzen die Garchinger Wissenschaftler auf Zwischenlagerung in Ahaus und/oder Gorleben, Mitterteich und Karlsruhe sowie auf den Arbeitskreis des Bundesforschungsministeriums „Brennstoffkreislauf Forschungsreaktoren“. Auch verweisen sie auf die technischen Möglichkeiten der Wiederaufarbeitung in Dounreay oder Frankreich, nicht ohne im letzteren Fall gleich wieder einzuschränken, dies sei nicht vorgesehen. Von wenig Vertrauen in die dargestellten „Lösungen“ zeugen die Pläne, neben dem Reaktorkern ein Lagerbecken zu errichten, das nicht weniger als zehn Jahresladungen aufnehmen soll. Karl Amannsberger

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