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„Keine Quotenregelung für Juden“

Er ist Wirtschaftsanwalt, Sprecher des Zentralrats der Juden in Deutschland, und die CDU möchte ihn in ihrem Bundesvorstand sehen, doch Michel Friedman will nicht „Alibijude“ sein  ■ Von Hans Monath

Bonn (taz) – Die Schlagzeilen gefielen dem potentiellen Kandidaten gar nicht. „Jude soll in den Bundesvorstand der CDU“, mußte Michel Friedman lesen, nachdem die Junge Union (JU) Anfang April vorgeschlagen hatte, den Frankfurter Kulturpolitiker in das hohe Gremium der Mutterpartei CDU zu wählen. Nicht nur Provinzblätter, auch angesehene Zeitungen hatten in ihrer Berichterstattung die Bedeutung des 38jährigen Rechtsanwalts allein auf seine Funktion als Präsidiumsmitglied im Zentralrat der Juden in Deutschland reduziert.

Die Gegenfrage liegt auf der Hand: „Haben Sie schon einmal gelesen: Ein Christ geht nach Bonn?“ Der Wirtschaftsanwalt mit dem Aussehen eines Dressman will den Christdemokraten nicht als „Alibijude“ zur Verfügung stehen. Auch Zentralratsvorsitzender Ignatz Bubis, dessen regelmäßige Teilnahme als Delegierter an FDP-Parteitagen nie als Sensation gehandelt wurde, warnte vor Schaufensterveranstaltungen: „Ich halte nichts von einer Quotenregelung für Juden.“

Der Verdacht ist nicht unbegründet. Nach dem Brandanschlag auf die Lübecker Synagoge und den Hetztiraden des „Republikaner“-Chefs Franz Schönhuber wollte JU- Chef Hermann Gröhe mit seiner Anfrage ein Zeichen gegen Antisemitismus setzen. Wäre Friedman nur Frankfurter Stadtverordneter, nur Medientalent und Talkshow-Moderator im Mitteldeutschen Rundfunk, nur „liberaler Großstadt-Kulturpolitiker“ (Gröhe) – die CDU-Nachwuchsorganisation hätte von seinem Antreten keine Signalwirkung erwartet. Zum „Zeichen“ machen eine mögliche Kandidatur erst seine Geschichte, seine religiöse Überzeugung und seine Funktion im Zentralrat.

Die Eltern des 1956 in Paris geborenen Anwalts, selbst polnische Juden, standen auf Oskar Schindlers Liste. Im Schreibtisch Friedmans liegt eine Fotografie. Sie zeigt Oskar Schindler zusammen mit dem jungen Michel bei einem Besuch in Tel Aviv. Als Michel zehn war, gingen seine Eltern mit ihrem Pelzgeschäft nach Frankfurt am Main. Dort arbeitete er bald in Jugendorganisationen der Jüdischen Gemeinde mit. Die Pflicht zur Einmischung sieht er als Vermächtnis Oskar Schindlers: „Ich bin engagiert und aktiv, seit ich sprechen kann.“ Und sprechen kann Friedman bestechend gut.

So wird er keine Schwierigkeit haben, seine Überzeugungen im CDU-Bundesvorstand deutlich zu machen. Vieles an der Partei gefällt ihm nicht – das Maß seiner Übereinstimmung beläuft sich auf durchschnittlich 51 Prozent: „Es ist ein extrem schmaler Grat.“ Falls die CDU etwa die Kandidatur Heitmanns noch länger aufrechterhalten hätte, so sagt er heute, wäre er ausgetreten: „Ich bin dann sehr konsequent.“

Für Helmut Kohls Euopapolitik findet Friedman höchst lobende Worte. Dessen Geschichtspolitik, Stichwort Bitburg, attackiert er – so wie die Sprache der Asyldebatte, die Ausländergesetzgebung, die Stimmungsmache der bayerischen Schwesterpartei in der Kurdenfrage oder Schäubles Aufforderung zum Nationalismus, wobei er den Fraktionsvorsitzenden nicht beim Namen nennt. Der Frankfurter wirbt für Streitkultur in der Partei, für Minderheitenschutz, für die Änderung des Staatsbürgerrechts und eine „neue Wertedebatte“, die freilich ziemlich vage bleibt.

Namentlich hat Friedman weniger bedeutende Unionspolitiker als Schäuble öffentlich kritisiert: „Ich würde mir wünschen, daß wir solche rechtskonservativen Politiker wie Herrn Lummer nicht in der CDU hätten.“ Als wirtschaftlich unabhängiger Anwalt, so meint er, kann er solche Konflikte riskieren: „Ich will, daß in dieser Partei bestimmte Dinge angesprochen werden, ich will sie hören.“

Noch hat Friedman über die Anfrage der Jungen Union nicht entschieden. Zunächst will er die Debatte verfolgen und beobachten, „wie weit wir sind oder nicht sind“. Er will sehen, ob er mit freundlichem Lächlen als „jüdischer Mitbürger“, letztlich als Fremder, ausgegrenzt oder als „deutscher Bürger“ in Öffentlichkeit und Partei akzeptiert wird. Nicht Normalität ist das Ziel, die kann es nach dem Holocaust nicht geben, sondern Alltäglichkeit. Als Chefin der Frauen-Union hat Rita Süssmuth den Plan der Jungen Union begrüßt, und wie andere Mitglieder des Bundesvorstandes soll auch Schäuble schon Unterstützung versprochen haben. Aber der Parteitag, der Friedman wählen könnte, findet im November statt. Nach den zu erwartenden Wahlverlusten wird um die Posten hart gekämpft werden. Aber kann sich die CDU dann überhaupt noch leisten, Friedman nicht zu wählen, ohne sich den Vorwurf des Antisemitismus zuzuziehen?

Und kann sich Friedman selbst überhaupt noch leisten, nicht zu kandidieren? Anfang Mai, so hat er angekündigt, will er seine Entscheidung treffen. Das Dilemma, in das er sich begeben hat, ist nicht nur sein eigenes. Und auch nicht ausschließlich eines der CDU.

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