■ Neue Berliner Architektur: Profitkisten
Offensichtlich haben einige unserer sogenannten Stararchitekten derzeit einen Ideenstau. Häuser wie die am „Hofgarten am Gendarmenmarkt“ sind kaum mehr als idiotensicher geplante Kisten, über die eigentlich jedes Wort zuviel wäre. Hans Kollhoffs Entwurf für ein Bürogebäude sowie das Nachbarhaus von Jürgen Sawade sind schnell hingeworfene Abbilder überlebter Baustile, wobei der vielbeschworene „traditionelle Rationalismus“ von Kollhoff sich längst des Rationalen entledigt hat. Von ähnlicher Lustlosigkeit zeugen die Lösungen der Architekten zur Überwindung der Berliner Traufhöhe durch einen kindischen Rücksprung der Stockwerke, der die Bauten wie kastrierte Wolkenkratzer aus dem Amerika der dreißiger Jahre aussehen läßt. Am plumpesten stehen aber die mit poliertem Granit oder anderem Gestein zugekachelten Fassaden da. Hatte nicht Kollhoff selbst vor kurzem seine Kollegen wegen dieser „Badezimmerarchitektur“ scharf kritisiert und ein Zurück zum Mauerwerk gepredigt? Nichts ist von der Bissigkeit geblieben. Harmlos, voller baulicher Einfalt und Mittelmäßigkeit spiegeln die Bauten nur Müdigkeit und Schlappheit wider. Neue Berliner Architektur ist das ebensowenig wie poetische Rationalität und preußische Strenge. Eine Erklärung für die kläglichen Ecken mag darin liegen, daß flott fabrizierte Investorenarchitektur nur auf die größtmögliche Ausnutzung der Fläche zielt und schlechter Geschmack Baukunst von der Stange Tür und Tor öffnet. Eine zweite liegt wahrscheinlich darin, daß die Stimmannschen Regeln vom Blockrand, der Traufhöhe und der Gliederung der Fassaden die Geister nicht mehr loswerden, die sie riefen. Aus Einfachheit ist Einfältigkeit, aus Strenge Starrheit geworden. Rolf Lautenschläger
Siehe Bericht Seite 24
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen