: Kein Religionskrieg
■ betr.: „,Brechstangen‘-General im Dienste der UNO“, taz vom 29.4.94
Häufig, so zuletzt gelesen am 29.4. in der taz, sprecht Ihr im Zusammenhang mit dem Krieg in Bosnien von „Serben und Moslems“ beziehungsweise von „moslemischen Truppenverbänden“, „moslemischen Enklaven“ beziehungsweise hier von „bosnischen Muslimen“.
Der Krieg in Bosnien ist jedoch kein Religionskrieg, und der Begriff „Moslems“ bezeichnet keineswegs die Angehörigen des Staates Bosnien-Herzegowina, in welchem bekanntlich Angehörige aller Ethnien und Konfessionen leben. So heißt es in einem Hilferuf aus der Region Bihac: „Die kroatischen, muslimischen und serbischen Soldaten der bosnischen Armee können uns noch verteidigen, ...“ Bekannt ist ebenfalls, daß es kaum ethnisch oder konfessionell „reine“ Familienzusammenhänge gibt. Die Differenzierung in „serbische“ und „moslemische“ Truppen ist daher Resultat ideologisierter Sprachregelung seitens der serbischen Nationalisten, übernehmen Sie diese, kommen Sie der serbischen Intention entgegen. Richtig wäre es vielmehr, von „bosnischen Regierungstruppen, Staatsangehörigen“ etc. zu sprechen.
Hierbei handelt es sich nicht um einen formellen Einwand, sondern um einen inhaltlichen von höchstem Rang, denn die völkerrechtliche Grundlage für ein mögliches Eingreifen von Unprofor bilden
– die Tatsache, daß Bosnien-Herzegowina ein von der UNO anerkannter Staat ist, sowie
– die Tatsache, daß es sich keinesfalls um einen Bürgerkrieg handelt, sondern um einen großserbischen Eroberungszug, der seinen Ausgangspunkt in dem Putsch im autonomen Kosovo Ende der 80er hatte.
Sprache ist bekanntlich verräterisch: dem serbischen Konzept der „ethnischen Säuberung“ steht auf bosnischer Seite nämlich durchaus ein „Konzept des Zusammenlebens“ (F. Duve) entgegen. So hat der Bürgermeister von Tuzla mitten im Krieg die serbisch-orthodoxe Kirche wieder aufbauen lassen. Uwe Driest, Pressebeauftragter der Deutsch-Bosnisch-Herzegowinischen Gesellschaft e.V., Hamburg
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen