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Leo, Thomas & Pro 7

■ Die Medienanstalten wollen heute über eine Entflechtung des Münchner Privatsenders Pro 7 entscheiden

Nach Paragraph 21 des Rundfunkstaatsvertrags darf ein TV- Veranstalter nur an einem Vollprogramm beteiligt sein. Die Einhaltung dieses Konzentrationsverbots zu überwachen ist Sache der Direktoren der Landesmedienanstalten. Und die beschäftigen sich schon lange mit dem Einfluß des Münchner Medienzaren Leo Kirch beim Kommerzsender Pro 7. Kirch wird vorgeworfen, neben seinen direkten Beteiligungen am Vollprogramm Sat.1, dem Pay-TV premiere und dem Deutschen Sportfernsehen (DSF), indirekt auch Pro 7 zu beherrschen. Zwar ist Leo Kirch selbst nicht an Pro 7 beteiligt, dafür aber sein Sohn Thomas: Ihm gehört knapp die Hälfte des Münchner Senders. Weitere Anteile halten der Pro 7- Geschäftsführer Georg Kofler (drei Prozent) und der Unternehmer Gerd Ackermanns (49,5 Prozent). Die drei hatten 1988 den maroden Sender Eureka gemeinsam übernommen und in Pro 7 umbenannt. Kofler war früher Büroleiter bei Leo Kirch. Ackermanns, einst Eigentümer der Allkauf-Supermarktkette, wird nachgesagt, daß er seine Anteile nur treuhänderisch für den Kirch-Clan halte. Stärker als diese schwer nachweisbaren personellen Verwicklungen wiegt jedoch das Argument, daß Leo Kirch durch Kredite, die er Pro 7 als Programmlieferant einräumte, das gesamte unternehmerische Risiko trägt und den Sender damit letztlich beherrscht.

Vorwürfe dieser Art wurden erstmals 1990 vom Axel Springer Verlag geäußert, der damals mit Filmhändler Kirch noch im Clinch lag. Seit 1993 untersuchen die für die Lizenz zuständige Unabhängige Landesmedienanstalt in Kiel (ULR) und der Arbeitskreis „Vielfaltssicherung“ der Landesmedienanstalten die Sache. Einig wurden sie sich aber bis heute nicht.

Das liegt nicht zuletzt an den Konflikten zwischen der Kieler Kontrollanstalt und den Kollegen in den anderen Bundesländern. Beschlüsse der Direktoren sind für die einzelnen Landesanstalten nicht rechtsbindend, Medienpolitik ist allein Ländersache. Obwohl die Mehrzahl der Direktoren Anfang des Jahres auf eine Entflechtung bei Pro 7 drängte, vergaben die Kieler am 25. Januar eine Senderkette an Pro 7. Der Direktor der Hamburger Medienanstalt, Helmut Haeckel, warf daraufhin seinem Kieler Kollegen Gernot Schumann vor, gegen die Vereinbarung verstoßen zu haben, erst nach der Konzentrationsprüfung über Sendervergaben zu entscheiden. Denn Anfang Februar hatte die Direktorenkonferenz immerhin „gravierende Anhaltspunkte für unzulässigen maßgeblichen Einfluß“ Leo Kirchs bei Pro 7 festgestellt. Schumann entzog sich jedoch mit dem lapidaren Hinweis, die Überprüfung der Unterlagen des Senders habe „keine Erkenntnisse zutage gefördert“.

Das veranlaßte den Präsidenten der bayerischen Medienanstalt Wolf-Dieter Ring zur öffentlichen Kritik: „Die ULR hat keine Informationen weitergegeben, sondern lediglich Bewertungen.“ Schumann reagierte gereizt mit einem Revanche-Foul: München würde von einer Entflechtung bei Pro 7 profitieren, da die Direktorenkonferenz im Februar beschlossen hatte, danach keine Bedenken mehr bei der Beteiligung Kirchs am Münchner DSF zu haben.

Die Kieler gehen aber auch auf anderem Gebiet sehr fürsorglich mit Pro 7 um. Im letzten Sommer wurden interne Unterlagen über das Prüfungsverfahren durch ein „Büroversehen“ an Pro 7 gefaxt. Im Februar dann veröffentlichte der Medien-Fachdienst Funk-Korrespondenz Auszüge aus einem für die ULR erstellten Gutachten, das in Kiel seit März 1993 unter Verschluß gehalten wird. Das Göttinger Institut für angewandte Kommunikationsforschung stellt darin beim Pro 7-Programm eine „negative Leistungsbilanz“ im Hinblick auf die Anforderungen des Landesmediengesetzes fest. Angesichts eines Unterhaltungsanteils von 90 Prozent spreche vieles dafür, daß Pro 7 die gesetzlichen Vorgaben für ein Vollprogramm „nicht hinreichend erfüllt“, da Sendeplätze für Information und Bildung fehlten. ULR-Direktor Schumann reagierte mit einem Beschwerdebrief an die Redaktion: Die Veröffentlichung sei nur durch den Bruch der Amtsverschwiegenheit möglich gewesen. Außerdem liege die Studie der ULR „erst seit Mai 1993“ vor, die Gremien würden sich damit befassen.

Wie auch immer. Die April-Sitzung der Direktoren, die eigentlich die Entscheidung hätte bringen sollen, endete mit einer Vertagung auf das heutige Datum. Es hieß, die Direktoren hätten noch „weiteren Aufklärungsbedarf bei der Finanzierungsstruktur“ des Senders. Der Vorsitzende der Konferenz, Hans Hege, sah darin einen „gewissen Rückschritt“. Er war nicht mehr sicher, ob überhaupt noch eine Mehrheit für die Entflechtung zustande kommen würde. Pro 7 habe „kräftige Hintergrundarbeit“ geleistet. Philippe Ressing

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