: Suffweltmeister im Drogenkrieg – Teil 2 Von Mathias Bröckers
Noch immer sorgt das Verfassungsgerichts-Urteil zum Thema Cannabis für heiße Diskussionen. Daß Deutschland im Alkoholkonsum mittlerweile Weltmeister ist, diese traurige Nachricht war dagegen nur eine Kurzmeldung wert. Auch der Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Eduard Lintner (CSU), sieht darin keinen Grund, wegen völligen Versagens endlich den Hut zu nehmen, statt dessen meldete er sich am Wochenende im Bayernkurier in Sachen Hasch zu Wort.
Für ihn ist der Karlsruher Urteilsspruch „ein klares Bekenntnis zur Drogenpolitik des Bundes und des Freistaats Bayern“. Jede anderslautende Interpretation, so der oberste Drogenbekämpfer, sei „Mißbrauch durch Mißdeutung“. Dieses neuartigen Vergehens, des Urteilsmißbrauchs, haben sich nach Lintner die „Rauschideologen“ im Lande schuldig gemacht, die in Jubel über das Urteil ausgebrochen seien. Tatsächlich sind selbst die zustimmendsten Kommentare zur Entkriminalisierung von Cannabis keineswegs in Jubel ausgebrochen. Selbst der reißerische Spiegel-Titel „Hasch fürs Volk“ entbehrte nicht der Berechtigung: Nach 65 Jahren strengster Prohibition ist es dem Volk jetzt wieder gestattet, Hanfdrogen für den Eigenbedarf straffrei zu erwerben, zu besitzen und zu konsumieren – auch wenn der Stoff weiterhin verboten bleibt. Am Fortbestand dieser grundsätzlichen Illegalität haben auch die positiven Kommentare zum Urteil keinen Zweifel gelassen. Von großem Jubel keine Spur! Daß der Drogenbeauftragte dennoch einen solchen konstatiert, hat eher mit dem Entsetzen zu tun, den das Urteil bei ihm und allen Kämpfern im war on drugs ausgelöst hat. Die Toleranz gegenüber dem privaten Haschischgebrauch, für die das Verfassungsgericht einheitliche Verwaltungsvorschriften anmahnte, schon diese Entkriminalisierung des Konsums geht den Kriegern gegen Drogen entschieden zu weit. Die Richter haben eine „Kann-Bestimmung“ des Gesetzes für Haschisch und Marihuana in eine Mußbestimmung verwandelt: Bei gelegentlichem Eigenverbrauch ohne Gefährdung anderer ist künftig von einer Strafverfolgung – Zitat – „grundsätzlich abzusehen“.
Klare Worte, die von den Medien ebenso klar wiedergegeben wurden. Nicht aber für den Bundes-Drogenbeauftragten: „Überzeugungstäter“, so Eduard Lintner, hätten „das Urteil zum Startschuß für eine beispiellose Manipulationskampagne genutzt“. Die Medien sind mal wieder an allem schuld. Statt dem Verfassungsurteil schleunigst nachzukommen und die straffreien Grenzen des Eigenverbrauchs von Cannabis zu regeln, treibt der Bundesdrogenbeauftragte Presseschelte. Warum, das ist leicht nachvollziehbar: Sein Konzept der undifferenzierten Gleichsetzung von weichen und harten Drogen wurde höchstrichterlich demontiert. Daß auch „der sogenannte kleine Kiffer ein Krimineller“ ist, wie Edmund Stoiber einst formulierte – diese bayerische Lesart des Betäubungsmittelgesetzes verstößt ab sofort gegen die Verfassung. Dies ist der Grund, warum die Hardliner in Bayern aufjaulen und die Medien des „Urteilsmißbrauchs“ bezichtigen. Ihrem perspektivlosen Drogenkrieg auf Stammtisch-Niveau – „Keine Macht den Drogen“ – „Na denn Prost!“ – ist endlich ein Riegel vorgeschoben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen