Zeit für ein naturnahes Industriekonzept

Greenpeace-Jahresbilanz 1993  ■ Von Thorsten Schubert

Hamburg (taz) – Greenpeace will keineswegs das Auto propagieren. Doch auch eine Umweltschutzorganisation könne nicht immer von der autofreien Gesellschaft reden. Schließlich wisse man ja, daß diese nicht auf einen Schlag zu verwirklichen ist.

Deshalb meint die Umweltorganisation, könne das im vergangenen Herbst vorgestellte Sparauto, das mit zwei Litern Benzin auf 100 Kilometer auskommt, auch ein Zwischenschritt sein, durch den sich der Ausstoß des Klimakillers CO2 deutlich reduzieren läßt.

Anläßlich der Jahresbilanz der erfolgreichen Umweltschützer war von dem leidigen Autoproblem nur wenig die Rede. Greenpeace- Geschäftsführer Thilo Bode erklärte zwar, „Sparautos dürfen kein Alibi sein. Grundsätzlich gehören Autos als CO2-Emmitenten abgeschafft.“

Doch trotzdem konzentriert sich Greenpeace weiter auf die technischen Aspekte der Autokampagne. Motto: Verbrauch runter. Autoexperte Oliver Worm beschreibt die Strategie: „Wir fordern ehrliche Energiepreise, die berühmten fünf Mark pro Liter.“ Bei gleichzeitiger Senkung des Verbrauchs würden dann nur Besitzer „dicker Wagen“ mehr zahlen müssen. „Die zusätzlichen Einnahmen sollen in alternative Verkehrsprojekte investiert werden.“

Eine formelle Zusammenarbeit mit anderen Umweltschutzorganisationen gibt es in der Verkehrspolitik auch ein dreiviertel Jahr nach der Vorstellung des ökologischeren Flitzers noch nicht, „nur einen allgemeinen Austausch“.

Läßt man das Autoproblem beiseite, ist das Jahr 1993 für die Umweltschutzorganisation ein erfolgreiches Jahr gewesen. „Finanziell geht es uns sehr gut. Wir haben 66,5 Millionen Mark Reserven“, so Geschäftsführer Bode. Rund zehn Millionen Mark hätte Greenpeace für Aktionen ausgegeben. Die Anzahl der Mitarbeiter wurde allerdings um 15 auf 116 reduziert. Als politischer Erfolg konnte das endgültige Verbot der Verklappung von Atommüll auf hoher See Ende 1993 gefeiert werden. „Dafür haben wir 15 Jahre gekämpft“, so Bode. Ebenfalls verboten wurde im März dieses Jahres der Giftmülltransport in Dritte-Welt-Länder und nach Osteuropa. Auch eine Forderung von Greenpeace. „Unsere Erfolgsmeldungen klingen befremdlich, da die Umweltzerstörung immer noch drastisch fortschreitet“, räumte Bode gestern in Hamburg ein.

Für die nahe Zukunft kündigte er weitere Anstrengungen für den Ausstieg aus der Atomindustrie an. Über diese Einzelerfolge wollen die Greenpeacler nicht vergessen, daß es Zeit ist für ein Gesamtkonzept. Greenpeace-Waldexperte Eije Pabst kündigte gestern an: „Greenpeace ist dabei, Kriterien für eine naturnahe Waldnutzung und den sogenannten ökologischen Umbau der Industriegesellschaft zu entwickeln.“ Dazu gehöre auch die Diskussion über eine Energiesteuer.