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Schindlers Liste: Kritik unerwünscht Zivilcourage ist kein Prüfungsfach -betr.: Eine Bremer Diskussionsveranstaltung, taz vom 25.4.94

Betr.: Eine Bremer Diskussionsveranstaltung, taz v. 25.4.

Eine unsäglich abgefuckte Diskussion – sowas von unbefriedigend habe ich leider nicht selten, sondern des öfteren erlebt. Man konnte den Eindruck gewinnen, hier wird über alles mögliche diskutiert – bei Herrn Friedmanns statements dachte ich zeitweise, er kriegt Prozente bei Spielberg – aber nicht über das Wesentliche. Und das war – soweit ich mich erinnere – DIE WIRKUNG des Films.

Genau deswegen bin ich eigentlich hingegangen, denn diese Wirkung ist mir immer noch rätselhaft. Nach dieser Veranstaltung kam mir ein ungeheurer Gedanke: der Film entlastet, hat zumindest eine entlastende Funktion. Man zieht sich drei Stunden Greuel rein, kriegt Wut, kann einen abheulen, geht raus und denkt –ich nicht– und steht wieder mal nachts an einer roten Ampel. (Wohlgemerkt, dies gilt nicht für die Jugendlichen, die dieses Kapitel der Geschichte zum ersten Mal behandeln!) Genauso ist diese Diskussion gelaufen, Berufsbetroffenheit und Selbstgerechtigkeit bestimmten den Tenor.

Denn weder jemand/in aus der Podiumsrunde noch aus dem Publikum kam auf die Idee, mal einzuhaken bzw. die Gedanken, die von der Schülerin Ruby Räcker und der türkischen Schriftstellerin Gülbahar Kültür zur heutigen Situation vorgetragen wurden – nämlich wo Intoleranz und Ausgrenzung beginnen und wie weit sie schon fortgeschritten sind – aufzugreifen bzw. weiterzudenken (sozusagen zeitübergreifend) oder einfach mal eigene Erfahrungen öffentlich zu machen.

Nicht mal als Herr Franke darauf aufmerksam machte, daß der Film ja „nur“ das Endprodukt zeige, nicht aber die Anfänge (was ja auch nicht Anliegen des Films war). Und m.E. kann man gar nicht von Anfängen reden, denn es gab (gibt) eine Kontinuität seit 1945. Die wesentlichste Frage bzw. Äußerung kam von der Schülerin Ruby Räcker, als sie sagte, sie wisse nicht, wie sie sich verhalten solle bei Angriffen von Springerstiefelträgern auf „andere“ und ob sie dabei auf Hilfe von den Einheimischen rechnen könne. Hier liegt doch der Hund begraben. Zivilcourage gehört nicht zu den Prüfungsfächern in unserer Gesellschaft. Anders formuliert: Wenn ich mich fragen muß, vor wem ich mehr Angst habe, vor Skins oder den „Eingeborenen“, dann liegt da doch schon was im Argen.

Denn anscheinend steht die Frage der Zugehörigkeit zur menschlichen Rasse ja immer noch zur Debatte – oder wie ist beispielsweise die Vertreibungspolitik (der Junkies aus dem Stadtbild) des Innensenators sonst zu verstehen? Oder anders gefragt: Warum kriegen deutsche Menschen beim Anblick von „Schindlers Liste“ das heulende Elend und beim Anblick der Junkies an der Ecke nicht?

„Schindlers Liste“ ist eben Geschichte. Der Bezug zu heute wurde nicht hergestellt. Ich hatte den Eindruck, daß alle von einer gewissen Berufsbetroffenheit eingenebelt waren – Kritik war unerwünscht. Das war wie Beifall-Klatschen in Rostock – nur eben auf der „richtigen“ Seite. Ich unterstelle den Leuten, die in der Schauburg waren, allerdings einen anderen Anspruch, und genau deshalb fühlte ich mich äußerst unwohl dabei. Gleichzeitig hat es mich ungeheuer aggressiv gemacht. Denn anscheinend gehört Konfliktunfähigkeit immer noch zu „den“ Eigenschaften. Über die Wirkung von „Schindlers Liste“ wurde schlicht und ergreifend nicht gesprochen.

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