piwik no script img

Der bohrt sich durch

■ Die Künstlerin Barbara Deutschmann über ihre Arbeit in der Bildhauerwerkstatt im Knast

„Also, Pädagogik oder gar Therapie kann ich nicht. Da weiß ich gar nicht, wie das geht.“ Sagt die Künstlerin Barbara Deutschmann. Seit zwei Monaten arbeitet sie mit Gefangenen zusammen, in der Bildhauerwerkstatt der JVA Oslebshausen. Mit Unterricht oder fürsorglicher Betreuung hat das jedoch für sie überhaupt nichts zu tun: „Ich bin einfach da und mache mit.“

Barbara Deutschmann ist nicht die erste künstlerische Mitarbeiterin in der Gefängniswerkstatt. Sie hat sich die jährlich frisch „vergebene“ BSHG-19-Stelle ergattert. Wenn sie jetzt darüber nachdenken soll, weshalb sie sich gerade für eine Arbeit im Männerknast beworben hat, meint sie kurzum: „Ich fand das interessant. Es ist etwas anderes, als alleine im Atelier zu sitzen. Und Erfahrungen werde ich auf jeden Fall mitnehmen, egal ob persönliche oder künstlerische.“

Acht Stunden am Tag ist die Bildhauerin mit sieben Gefangenen in der Werkstatt, einer Halbröhre mit Blechdach, am Hämmern, Sägen und Klopfen. Die Männer könnten auch handwerklich Malern oder Schweißen in einem der anderen JVA-Betriebe, haben sich aber fürs Bildhauern entschlossen. „Da bleiben die dann acht Stunden am Tag dran an ihrer Arbeit, und entsprechend intensiv sind auch ihre Sachen“, meint die Künstlerin. Diese Intensität erscheint ihr umso erstaunlicher, als die Männer ja nun nicht unbedingt Bildhauer werden wollen.

Ihre Aufgabe ist es, Kunst zu machen, die dann in Bremens öffentlichem Raum präsentiert wird. Dafür werden sie wie die anderen Häftlinge (minimalst) entlohnt. „Die suchen sich da dann ganz schön harte Brocken raus, das ist ja nicht so, daß die Männer hier am Relaxen wären.“

Die harten Brocken sind Sandgesteine von der abgerissenen alten Bremer Post. Ganz nett hart findet Barbara Deutschmann aber auch die Aufgaben, denen sich die Gefangenen stellen. „Einer macht gerade zwei wartende Figuren für unser Bahnhofs-Projekt am Jan-Reiners-Weg in Findorff. Und zwar gleich lebensgroß, aber er bohrt sich da durch.“ Sie selbst wird da eigentlich ganz selten um Rat gefragt, soll sich vielleicht dann und wann mal eine Kante auf ihren Schliff hin ansehen. Ansonsten aber ist sie genauso wie ihr Kollege Hans Kampa eine wie alle.

Als Barbara Deutschmann in der Werkstatt ihre eigenen Arbeiten gezeigt hat – große geometrische Wandplastiken aus Wachs und Beton oder Stahl – meinte einer spontan, das sei ihm zu technisch. So direkt hatte ja noch kaum jemand mit ihr gesprochen, erzählt die Bildhauerin. Unter Künstler-KollegInnen sei man dann doch um einiges vorsichtiger, weil viel empfindlicher. Im Knast dagegen gibt's keine Schonung, da geht es offen und aufrichtig zu, man korrigiert sich untereinander, und das darf auch schon mal ganz persönlich werden.

Genau das ist für Barbara Deutschmann aber das Besondere und Reizvolle. Mal den ganzen theoretischen Überbau, die elende Diskussion darüber, wo Kunst beginnt, ehe sie bereits wieder aufhört. „Die Leute hier arbeiten total aus dem Bauch heraus, das ist sehr direkt. Sowas kriegt man selbst nie wieder, oder man erreicht es nur sehr schwer und mühsam.“

In solch natürlicher Atmosphäre fühlt sich die Bildhauerin wohl, klopft an ihrer eigenen kleinen Sandsteinskulptur, scherzt und lacht mit den Männern. „Ich versteh' ja manchmal wirklich nur Bahnhof bei dem Knacki-Jargon, das finden die natürlich umso witziger.“ Sie als Frau hat jedenfalls keine Probleme damit, hier zu arbeiten. Außer, daß sie ständig erwachsene Menschen einschließen müsse. Gewalt jedenfalls sei hier noch kein Thema gewesen. „Wie dagegen ich selbst akzeptiert werde, weiß ich nicht.“ – „Ist okay mit Barbara“, meinen die Männer. Silvia Plahl

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen