: Harte Haftbedingungen
■ betr.: „Abschied von der Vergan genheit“ (In Spanien dienen Haft erleichterungen als Mittel gegen Gefangenensolidarität), taz vom 7. 5. 94
Der Artikel von Antje Bauer suggeriert, daß die Möglichkeit des 3. Grades, also Freigängerstatus, ohne politisches Reuebekenntnis auch den politischen Gefangenen offensteht; vorausgesetzt, sie haben ein Viertel ihrer Strafe abgesessen.
Sie weist zwar richtig darauf hin, daß sich von 560 ETA-Gefangenen nur etwa 20 im 3. Grad befinden; trotzdem entsteht der Eindruck, das spanische Gefängnissystem sei liberaler, als es in Wirklichkeit ist. So wie es theoretisch möglich ist, den 3. Grad zu erreichen, existiert der Artikel 60 der spanischen Verfassung, der besagt, daß Gefangene mit irreversiblen gesundheitlichen Schäden in die libertad condicional, also Freiheit auf Bewährung, entlassen werden müssen. Doch trotz der Anweisung des zuständigen Überwachungsrichters, hat sich das Justizministerium geweigert, dem im Falle von Inaki Cuadra Etxaindia Folge zu leisten. Etxaindia ist schwer krank; seine Blase mußte entfernt werden, er leidet an chronischer Niereninsuffizienz, ist Epileptiker usw. Inaki Cuadra Etxaindia ist Gefangener aus den GRAPO. So wie Juan Manuel Perez Hernandez, der schlichtweg wahnsinnig geworden ist. Er läuft nicht, spricht nicht, erkennt niemanden mehr; offiziell heißt seine Krankheit: verfrühter Altersschwachsinn.
Milagros Caballero Carbonell und Sebastian Rodriguez Veloso konnten sich seit dem 8. 2. 1991, dem Ende des Hungerstreiks von Gefangenen aus PCE/r und GRAPO gegen ihre Auseinanderlegung in die Isolationshaft, noch nicht wieder aus dem Rollstuhl erheben.
Besonders für diese vier fordert die AFAPP (der Zusammenschluß von Freunden/innen und Angehörigen von Gefangenen aus den GRAPO/PCE/r) die libertad condicional. Von seiten der Regierung gab es keinerlei Zugeständnis. Bei dem 1. Grad, den Antje Bauer erwähnt, handelt es sich im Fall der politischen Gefangenen schlicht und einfach um Isolationshaft.
Alle etwa 60 Gefangenen aus GRAPO/PCE/r, die auf alle möglichen Knäste Spaniens – von Ceuta über Teneriffa bis Galizien – verlegt worden sind, leiden an den Folgen des Hungerstreiks und der Isolationshaft.
Olegario Sanchez Corrales und Casimiro Gil Araujo, denen die Entführung des Großindustriellen Oriol vorgeworfen wurde, wurden explizit von der Amnestie 1977 ausgenommen. Beide befinden sich mittlerweile seit über 17 Jahren in Haft und gehören somit zu den „ältesten“ politischen Gefangenen Spaniens. So etwas wie der 3. Grad oder Artikel 60 mag theoretisch existieren, aber es wäre nur ehrlich, in einem Artikel über politische Gefangene in Spanien darauf hinzuweisen, daß sie davon ausgenommen und den härtesten Haftbedingungen unterworfen sind, die es gibt. Birgit Schmidt, Berlin
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