: Ost-Einzelhandel vor totalem Streik
■ Gewerkschaften erwarten am Dienstag neues Angebot der Arbeitgeber / Angleichung an Westtarife gefordert
Berlin (AP/dpa) – Kein Fisch, kein Fleisch, keinen Kohl. Im Ostteil von Berlin und in allen neuen Ländern könnte es an den Großeinkaufstagen Freitag und Samstag vor Pfingsten zu einem totalen Streik der rund 300.000 Beschäftigten kommen. Die Gewerkschaften kündigten gestern eine massive Ausweitung der Arbeitsniederlegungen an, wenn die Arbeitgeber nicht bereit seien, endlich ihre „Blockade gegen eine weitere Heranführung der Einkommen an das westdeutsche Niveau aufzugeben“. Morgen sollen in Berlin die Verhandlungen wieder aufgenommen werden.
„Falls die Arbeitgeber dann kein deutlich verbessertes Angebot konkret auf den Tisch legen, werden wir gezwungen sein, die Streikaktionen erheblich auszuweiten“, erklärte die Sprecherin der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen, Susanne Anger, gestern in Düsseldorf. Und der Verhandlungsführer der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft, Holger Grape, sagte in Hamburg: „Sollte die Arbeitgeberseite kein erheblich verbessertes Angebot vorlegen, werden die Streiks vor Pfingsten auf den gesamten Einzelhandel in den neuen Bundesländern ausgeweitet.“
Die Gewerkschaften verlangen die volle Angleichung der Gehälter an das westliche Tarifniveau. Zuletzt hatten die Arbeitgeber eine Erhöhung um 3,66 Prozent bei einer Bezahlung von gegenwärtig 83 Prozent des Westtarifs angeboten. Nach Ansicht der Gewerkschaften würde diese minimale Erhöhung aber die Schere zwischen Ost- und Westgehälter nur noch vergrößern.
Zum Wochenbeginn ist mit Arbeitsniederlegungen in den thüringischen Städten Erfurt, Gera, Jena und Suhl sowie in den brandenburgischen Städten Schwedt, Cottbus und Elsterwerda, aber auch in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern zu rechnen. Schwerpunkte der großen Streiks am Freitag und Samstag vor Pfingsten würden Berlin und alle großen Städte in Sachsen sein. In der vergangenen Woche waren mehr als 12.000 Beschäftigte in ganztägige Streiks getreten, darunter 8.000 in Berlin.
Die Arbeitgeber in Sachsen wollen einen Sonderweg gehen und die gemeinsame Verhandlungsrunde verlassen. Angestrebt werde ein separater sächsischer Tarif, hatte der Geschäftsführer des Handelsverbandes Sachsen, Eberhard Lucas, angekündigt.
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