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Interspezies-Expreß Von Mathias Bröckers

Daß Hunde auf Herrchen und Frauchen hören, ist nicht ungewöhnlich, genausowenig wie die Oma, die ihrem Kanarienvogel das Herz ausschüttet, oder das Kind, das mit seinem Meerschweinchen spricht. Und daß die Viecher einen irgendwie verstehen, ist kein Wunder – als domestizierte Arten sind sie es gewohnt, daß diese großen Zweibeiner auf sie einplappern, und haben gelernt zu „verstehen“, das heißt so zu reagieren, wie die Menschen es erwarten.

Bei den Pflanzen ist die Sache schon nicht mehr so einfach. Zahlreiche Experimente haben gezeigt, daß sie besser wachsen, wenn man sie beim Gießen liebevoll bespricht, anstatt sie bloß teilnahmslos mit Wasser zu versorgen. Wie das funktioniert, ist der Wissenschaft ein Rätsel. Während es beim Hund zum Beispiel noch erklärbar ist, wie er durch trial and error zum Verstehen und zu richtigen Antworten kommt, ist die Sache bei der Tomate schon sehr viel komplizierter. Oder bei der berühmten Zimmerpflanze, an die Clive Backster einen Detektor anschloß, der die Spannungsänderungen auf den Blattoberflächen registrierte – und der schon ausschlug, wenn der Experimentator nur den Entschluß faßte, ein Blatt mit einem Streichholz zu versengen ...

Wahrscheinlich sind die Vertreter der Gattung Homo sapiens, die noch nie ein Erlebnis der Interspezies-Kommunikation hatten, eine ziemliche Minderheit – und doch hält eine Mehrheit diesen merkwürdigen Informationsfluß für ziemlich unwahrscheinlich. Der Interspezies-Expreß geht alltäglich ab, aber niemand will ihn wahrhaben: „Mit dem Ergebnis, daß diese verschwindend kleine Minderheit es geschafft hat, so zu tun, als könne sie für den Rest der Menschheit bestimmen, welche Drähte zwischen dir und deinen Mit-Lebewesen als echt, real, bedeutungsvoll zu gelten haben und welche nicht. Die Folge: Eingemauert in der Einsamkeit unseres selbstverschuldeten Weltbildes sehnen wir uns um so mehr nach Auflösung der Barrieren, je heftiger die Kommunikation zwischen den Arten geleugnet wird.“

So heißt es in der Einladung zu einem „Interspezies-Kommunikation-Happening“, das heute abend um 19 Uhr im Berliner Tempodrom stattfindet: „Der Blick ins Auge eines Wals, die neurochemische Kommunikation mit einem Pilz und die Jam-Session mit Delphinen können uns in Trancen versetzen, die nur uns modernen Menschen unvertraut sind, was sie aber nicht bleiben müssen.“ Jamen wird auf dieser interspeziellen Veranstaltung unter anderem Terrence McKenna, Schamanismusforscher und Experte im Dialog mit halluzinogenen Pilzen, und Jim Nollman, der seit 20 Jahren mit wilden Tieren musiziert. Alles begann, als eine Horde Truthähne einst spontan auf sein Flötenspiel reagierte; seitdem hat er unter anderem mit Wölfen, Delphinen und Orca-Walen Musik gemacht und auch das Forschungsschiff Kairos inspiriert, das speziell der Mensch-Delphin- Kommunikation gewidmet ist. Micky Remann, Globaltrottel und Multimedia-Enzym, wird die Jam- Session moderieren: „Die Verbundenheit mit dem Netz des Lebens kennt keine kategorialen Grenzen, höchstens Sichtblenden, die sich im Dialog zwischen den Arten immer wieder neu verschieben [...]. Sie haben in ihrer eigenen Art etwas zu sagen. Wie dein Hamster. Nimm den Kontakt auf!

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