: Unterm Strich
Den französischen Reinheitsgeboten zur Rettung der Sprache zum Trotz wird in Berlin verschärft mit englischer Zunge gesprochen, vorzugsweise in der Straßenbahn. Am Wochenende etwa führte eine ausgewachsene Rockermutti ihren 14jährigen Schwermetalljungen in die Geheimnisse der Anglistik ein, unter besonderer Berücksichtigung der dunklen Seite des Heavy Metal. Auf seine Frage nach der Wahrhaftigkeit des Bösen in der Musik von Black Sabbath erklärte sie ihm, daß „alles, was mit dem Teufel zu tun hat, saintus heißt“. Der Junge aber in seiner Unsicherheit ob bestehender Welterklärungsmodelle wollte mehr wissen, wollte das Wort, dessen Übersetzung die Tore zur Hölle öffnen könnte: „Was heißt denn saintus?“ Die Mutter grinst grimmig und spricht kurz ohne Bedenken: „Also, wenn jemand besessen ist, dann sagt man im englischen he's a saint.“ Da war's raus, das Wort: Besessen sind die Heiligen, so im Himmel also auch auf Erden.
Von Seite der Presseagenturen erfährt man ähnlich Abseitiges über den Rock'n'Roll. So freut sich dpa bereits auf den „rockigen Auftakt zur Festival-Saison in deutschen Stadien“. An Pfingsten geht es weder zum Tanz op' de Deel noch zur Kirmes auf die Wiesen – „Rock am Ring“ und „Rock in Riem“ sind angesagt: „Hauptgruppen der mit gut 20 Rockbands gefüllten parallelen Programme sind internationale Zugnummern wie Peter Gabriel und Aerosmith. Schwere Entscheidungen stehen wohl manchem Musikfan angesichts der Vielfalt des bundesweiten Festivalprogramms bevor. Für fast jeden Rockgeschmack ist etwas dabei. Vor der Naturkulisse des Bodensees etwa stehen die Bands am 18. Juni bei „Rock am See“ in Konstanz. Dabei gibt es Deutschrock von Herbert Grönemeyer und Rock aus Deutschland mit Fury in the Slaughterhouse. Im niedersächsischen Schüttorf steigt mit ZZ Top eine Musiklegende auf die Bühne des 10. Open-air-Festivals. Daneben wollen auch die Toten Hosen zu den Instrumenten greifen.“
Eine Stradivari aus dem Jahr 1694 hat dagegen auf einer Versteigerung alter Instrumente im französischen Evian keinen Käufer gefunden. Die Geige war auf umgerechnet 1,3 Millionen Mark geschätzt worden, während das höchste Angebot nur 1,06 Millionen Mark betrug. Da waren die Teufelsgeiger wohl nicht besessen genug.
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