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Bonner Außenpolitik sucht Feigenblatt

■ Deutschland will die KSZE und ihren derzeit deutschen Generalsekretär so weit stärken, daß die Europa-Organisation ein eigenes politisches Gewicht erhält / Ein Stück deutsch-russische Eintracht

Genf (taz) – Deutschland und die Niederlande planen eine Ausweitung der Befugnisse der „Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“ (KSZE), um die gesamteuropäische Organisation in ihrer, so die Außenminister Klaus Kinkel und Pieter Kooijmans, „zentralen Aufgabe der Konfliktverhütung und Frühwarnung“ zu stärken. Der deutsch-niederländische Vorschlag, den die Außenminister heute vor den ständigen KSZE-Gremien in Wien vorlegen wollen, sieht vor, daß die KSZE in Zukunft bei „Friedensstörungen“ in Europa – gemeint sind zwischenstaatliche wie innerstaatliche Konflikte – notfalls auch gegen das Votum der jeweiligen Konfliktparteien den UNO-Sicherheitsrat anrufen und konkrete Vorschläge zur Konfliktlösung unterbreiten können soll. Dabei soll die KSZE sich vorab zur Umsetzung etwaiger Beschlüsse des höchsten UNO-Gremiums verpflichten.

Ursprünglich waren KSZE- Entscheidungen ausschließlich im Konsens ohne Einschränkungen möglich. Vor zwei Jahren ist für bestimmte Entscheidungen ohne Zwangscharakter – etwa zur Verurteilung eines Landes – das sogenannte „Konsens Minus 1“-Verfahren eingeführt. Nach diesem Verfahren wurde etwa die KSZE- Mitgliedschaft des aus Serbien und Montenegro bestehenden Restjugoslawiens gegen die Stimme Belgrads suspendiert.

Die Vorschläge erfolgen wenige Tage nachdem der russische Präsident Boris Jelzin und Verteidigungsminister Pawel Gratschow bei ihrem Bonn-Besuch deutliches Interesse an einer Stärkung der KSZE gerade auch in Relation zur Nato bekundet hatten. Nach den deutsch-niederländischen Vorstellungen sollen die Vorschläge beim nächsten Gipfel der Regierungschefs der 52 KSZE-Staaten Anfang Dezember in Budapest verabschiedet werden.

Bonn und Den Haag wollen außerdem Grundlagen für eine Mitwirkung der KSZE bei friedenserhaltenden Maßnahmen im GUS- Raum schaffen. Damit soll Rußland die Möglichkeit gegeben werden, seine diesbezüglichen Bemühungen in einen gesamteuropäischen und auch internationalen Kontext einzubinden. Allerdings ist nach Darstellung des Bonner Auswärtigen Amtes zunächst nur an eine Mitwirkung der KSZE im nichtmilitärischen Bereich gedacht. Damit bieten diese Vorschläge noch keine Lösung des Konflikts, der beim Moskau-Besuch von UNO-Generalsekretär Butros Ghali im April deutlich wurde: Ghali lehnte damals den Wunsch Moskaus nach einem UNO-Mandat für friedenserhaltene Maßnahmen rein russischer Streitkräfte im GUS-Bereich ab. Laut Ghali ist ein UNO-Mandat nur möglich für international gemischte Truppen, deren russischer Anteil 30 Prozent nicht übersteigen dürfe.

Wesentliche Bestimmungen des Vertrages über konventionelle Abrüstung in Europa (KSE), der 1990 zwischen den 16 Nato-Staaten und den sechs Mitgliedern der seitdem aufgelösten „Warschauer Vertragsorganisation“ (WVO) abgeschlossen wurde, sollen nach den deutsch-niederländischen Vorstellungen auf alle 52 KSZE-Staaten ausgedehnt werden. Schließlich sehen die Vorschläge den Ausbau und die organisatorische Stärkung der KSZE als einer „regionalen Abmachung“ im Sinne der UNO- Charta vor, die Zusammenführung der bisher auf Wien, Prag und Warschau verteilten KSZE-Institutionen in der österreichischen Hauptstadt sowie die Stärkung der Rolle des Generalsekretärs. Dieses Amt wird seit Juni 1993 für eine dreijährige Periode von dem deutschen Diplomaten Wilhelm Höynck besetzt. Andreas Zumach

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