■ Daumenkino: Eierstockdrama
So muß es gewesen sein: Einer arglosen Putzfrau rutschen in einem Produktionsbüro in Hollywood aus Versehen zwei Drehbücher auf den Boden, das eine für einen Psychopathenthriller, das andere für ein Psychodrama um eine Eierstockoperation. Schnell rafft sie den Papierhaufen zusammen, den wiederum ein hektischer Produzent findet undsoweiter. Das filmische Ergebnis ist leider kein serienkillender Eierstock, sondern „Malice“, ein müdes Machwerk über Versicherungsbetrug im Unterleib. Sieht man über etwa zehntausend Ungereimtheiten hinweg, reduziert sich der Plot auf die welterschütternde Frage, weshalb der Karrierechirurg Jed Hill (Alex Baldwin) der jungen Tracy Safian (Nicole Kidman) neben einem zystenbefallenen Eierstock noch den gesunden weggeschnippelt hat. Auf 20 Millionen Dollar Schadenersatz verklagt die Verstümmelte das Krankenhaus, denn auch der drei Wochen alte Fötus mußte bei der Operation dran glauben. Ihrem schläfrigen Gatten Andy (Bill Pullmann) geht dann irgendwann ein Licht auf. Triumphierend kommt er der großen Eierstockverschwörung zwischen Chrirurg und Patientin auf die Schliche.
Alles andere als maliziös, hat „Malice“ nicht mal Trash-Qualitäten aufzuweisen. Glatt und gediegen wie eine in die Breite gewalzte Zigarettenreklame läppert das Zystendrama dahin. Als wolle sie das Publikum zum Sekteneintritt bewegen, starrt das goldgelockte Scientology-Mitglied Kidman in die Kamera und äußert Sätze wie: „Er hat mein Innerstes herausgeschnitten.“
Ach ja, der Psychopath. Irgendwie muß der Gatte, seines Zeichens Uni-Dekan, natürlich dahinterkommen, daß es sein Rauschgoldengelchen mit dem dämonischen Doktor hat. Was liegt näher, als eine Nebenhandlung zu konstruieren, in der ein Serienkiller durch die Kleinstadt wütet, der es ausgerechnet auf Andys unschuldige Studentinnen abgesehen hat. Also muß Tracys in Verdacht geratener Gatte zum entlastenden Spermatest, also stellt sich heraus, daß er steril ist, also kann er nicht der Vater des unglücklichen Fötus sein, also ist Tracy untreu, also war die Sache mit den Eierstöcken abgekartet. Und die Zyste? Keine Sorge, auch die kriegt ihren eigenen Handlungsstrang. Anke Leweke
Harold Becker: „Malice“. USA 1993, 197 Min.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen