: Verlockendere Aussichten für Riva in Italien
■ Steht Berlusconi hinter dem Riva-Rückzug aus Eisenhüttenstadt?
Rom (taz) – Formell hat die italienische Stahl-Gruppe Riva ihren endgültigen Rücktritt vom Kauf der Eisenhüttenstädter Eko Stahl AG am 13. Mai verkündet. Tatsächlich, so scheint es, war die Sache aber bereits wesentlich früher gelaufen – Anfang April, kurz nach den Parlamentswahlen in Italien. Und dahinter steckten nicht – oder jedenfalls nicht ausschließlich – die Unannehmlichkeiten, die die Manager und Gewerkschafter der DDR-Stahlstadt dem italienischen Großindustriellen bereitet haben (wenngleich man bei ihm, der knallhart kalkuliert, auch dieses Motiv nicht geringschätzen darf). Vielmehr dürfte eine viel verlockendere Aussicht im eigenen Land den Ausschlag gegeben haben: Der italienische Wahlsieger Silvio Berlusconi hatte sich sofort auf die Suche gemacht, um möglichst bald und möglichst spektakulär wenigstens ein paar Schaufensteraktionen zu starten, mit denen er sein vollmundiges Wahlversprechen einer Million neuer Arbeitsplätze einlösen könnte.
Da die Beziehungen des Mailänder Medienmoguls zu den anderen Industriellen und deren Verbänden nicht sonderlich gut ist, konnte er nur über Außenseiter die erhoffte Schneise in die Front der abweisenden Stellungnahmen schlagen. Da kam ihm Riva gerade recht. Der Mann gilt als Eigenbrötler, hat schon immer mehr Krach als Freundschaft mit den anderen Magnaten gepflegt, gilt aber als eine Art Rammbock beim Beschreiten neuer (und meist einträglicher) Wege. Blitzschnell entwarfen Berlusconis Leute „Cordate“, Seilschaften. Die sollen die Staatsbetriebe, deren Privatisierung noch von der vorigen Regierung Ciampi weitestgehend vorbereitet worden war, innerhalb weniger Wochen akquirieren. Ganz vorne steht eines der beiden Stahlwerke der staatlichen Eisenproduktionsholding ILVA, die Acciai Speciali Terni (AST). Es müßte geschlossen werden, bliebe es in Staatshand, weil die von der EU beschlossenen Stahlquoten sonst überschritten würden. Als Privatbetrieb darf es aber weiterproduzieren.
Die Vermittler Berlusconis bastelten einen Käuferverbund, in dem neben Riva die Gruppen Falck, Agarini und die deutsche Krupp AG ausreichend Geld zusammengelegt haben, um die eher auf Schließung oder jedenfalls starke Reduzierung des Ausstoßes setzende französische Gruppe Usinor Sacilor aus dem Feld zu schlagen. Bedingung Berlusconis für die Ruckzuckaktion: Für' s erste werden keine Arbeitsplätze ab-, sondern einige dazugebaut. Dafür aber bekommt Riva mit seinen Kumpanen Vorkaufsrechte für weitere zu privatisierende Betriebe, die ihn zur Abrundung seines Imperiums interessieren. Stark für ihn macht sich auch Außenminister Martino – schon beim ersten Besuch in Brüssel am Sonntag hat er vorgefühlt, wo etwas am Stahl zu verdienen ist.
Für die in die Riva-Seilschaft eingestiegene Krupp AG ergibt sich nun freilich ein gewisser Erklärungsbedarf. Ihr Anteil von 50 Prozent bei der Geldsammlung übersteigt bei weitem ein nur marginales Interesse. Da kommt nicht nur der Verdacht auf, die Firma habe damit Riva, den einzigen mit ausreichenden Sanierungsmoneten ausgestatteten Käufer von Eko-Stahl, aus der Ex-DDR weglocken wollen, damit die Werke dort geschlossen werden (was schon immer das Verlangen der Ruhrgebietler war). Böse Zungen in Italien behaupten schlichtweg, hier sei eine deutliche Förderung nicht nur wirtschaftlicher Interessen zugange, sondern eine klare Anbiederung an die eben gebildete rechtslastige Regierung. „Deutsche Industrielle also wieder einmal als Steigbügelhalter einer Regierung, in der Faschisten sitzen“, wie sich ein Hörer im staatlichen Rundfunk RAI beschwerte. Es wird also einiger Worte aus Essen bedürfen, um das Vorgehen in Italien hinreichend zu begründen. Werner Raith
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