: Ein Volk kleiner Schneiders und Flicks
■ Von unserem jährlichen Vergnügen, dem Finanzamt ein Schnippchen geschlagen zu haben
Nun geben wir es doch zu. Wer von uns ist eigentlich ehrlicher Steuerzahler. Da freuen wir uns jedes Jahr aufs neue, dem Finanzamt erfolgreich ein Schnippchen geschlagen zu haben. Ein paar Groschen vor der Gier dieses Molochs auf die hohe Kante gebracht zu haben gehört doch zu den wenigen Abenteuern, die unsere Sozialversicherungsgesellschaft noch für uns übrig hat. Wenn wir uns schon nicht auf verschlungenen Pfaden bewegen, dann doch wenigstens unser Geld. Natürlich gelingt es uns nicht, die Ausmaße eines Herrn Schneider oder eines Herrn Flick zu erreichen, die zum Wohle der Nation mit obersten Regierungs- und Bankmenschen kungelten. Wer nimmt es denn unserem BB schon übel, daß er sein sauer erspieltes Geld am Fiskus vorbei in Staaten transferiert, wo das Bankgeheimnis noch etwas gilt. Und sind mit der Erhebung der Quellensteuer Luxemburg, Andorra oder San Marino nicht auch für den kleinen Mann oder die kleine Frau endgültig zu einem begehrten Finanzplatz geworden?
Allein die Termini „Steueroase“ oder „Steuerparadies“ verraten doch, wo der Hase langläuft. Deutschland, einig Steuerhinterziehungsland. Da werden die Bemessungsgrundlagen willkürlich gekürzt, Steuervorteile massiv erschlichen, steuerbegünstigte Sachen wie Dienstwagen und Dienstfahrräder zweckentfremdet und selbstverständlich die Meldepflicht rigoros verletzt. Natürlich gibt es auch die Trottel von fest Angestellten, bei denen das Finanzamt die Knete schon abzockt, bevor sie es überhaupt auf dem eigenen Konto haben, dem Staat sozusagen ein zinsloses Darlehen geben, das sie sich später mühsam zurückerklären müssen, was wiederum einen ganzen Berufszweig staatlich finanziert. Das Quellenabzugsverfahren bei Lohn- und Kapitalertragssteuer ist also nichts anderes als eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für sonst arbeitslose Steuerberater.
Dann doch lieber die illegale Form der Steuerabwehr. Denn als sonderlich schlagkräftige Truppe kann man ja die deutsche Steuerfahndung nicht bezeichnen. Wie heißt es doch so schön in Vahlens großem Wirtschaftslexikon: „Will man mit der Steuerpolitik bestimmte Ziele erreichen, muß die Steuerhinterziehung, die die effektive Steuerlastverteilung in schwer abzuschätzender Weise verändert, von staatlicher Seite bekämpft werden. Dafür sind im demokratischen Staatswesen allerdings relativ enge Grenzen gesetzt.“ Also, eine fiskalische GSG 9, die statt in Mogadischu Geiseln aus Flugzeugen in der Schweiz schwarze Gelder von Nummernkonten befreit, wird es in naher Zukunft jedenfalls nicht geben. Peter Huth
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