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Da haben die Rechten recht -betr.: "SPD verliert eine Abgeordnete", taz vom 20.5.94

Betr.: „SPD verliert eine Abgeordnete“, taz vom 20.5.

In Eurem Bericht über die Verfassungsdebatte in der Bürgerschaft wird der Eindruck erweckt, als sei eine Änderung der Bremischen Verfassung nur bei Einstimmigkeit im Parlament möglich. Das stimmt nicht, auch wenn Peter Kudella von der CDU das in seiner Rede so dargestellt hat.

Laut Artikel 125 wird die Bremische Verfassung in einem zweistufigen Verfahren geändert: Als erstes beschließt die Bürgerschaft eine Verfassungsänderung mit absoluter Mehrheit (51 von 100 Stimmen), dann wird ein Volksentscheid darüber durchgeführt. Ich finde diese Regelung sehr gut, denn durch den Volksentscheid hat die Wählerschaft ein Letztentscheidungsrecht. Eine ähnliche Regelung findet sich in der bayerischen und der hessischen Verfassung. In Bremen gibt es zusätzlich eine Ausnahmeregelung: „Der Volksentscheid ist nicht erforderlich, wenn die Verfassungsänderung von der Bürgerschaft einstimmig angenommen ist und die Mehrheit der gesetzlichen Mitgliederzahl der Bürgerschaft anwesend ist.“ In Bayern und Hessen gibt es diese Ausnahmeregelung nicht.

Zukünftig soll eine Verfassungsänderung durch eine Zweidrittel-Mehrheit des Parlaments möglich sein. Damit wird den WählerInnen das Letztentscheidungsrecht genommen. Ich finde das bedenklich, denn Kudella hat in seinem Redebeitrag angedeutet, wohin die Reise geht: Insbesondere die sozialen Grundrechte und die Artikel zu Arbeit und Wirtschaft sind Kudella offenbar ein Dorm im Auge.

Wenn ihr schreibt: „Bei den Grünen stimmte Walter Ruffler mit den Rechten,“ dann ist das so richtig wie das Gegenteil. So unangenehm die Wahrheit ist: Was diesen Punkt der Verfassungsfrage angeht, habe die Rechten recht. Dem Volk soll eine politische Mitwirkungsmöglichkeit genommen werden. Ich finde es bedauerlich, daß die vereinigten Bürgerschaftsfraktionen den Rechten auf diese Weise gute Wahlkampfmunition liefern.

Walter Ruffler

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