Unterm Strich

Das kommt davon, wenn man sich zuviel vornimmt: Am Wochenende ist in Düsseldorf die Jahrestagung des bundesdeutschen PEN-Zentrums zu Ende gegangen. Sie hatte unter einem von – hört, hört! – Roland Barthes entlehnten Motto gestanden: „Sprache ist niemals unschuldig.“ Ein PEN, der sich zu solcher Höhe der sprachskeptischen Erkenntnis durchringt, wird natürlich Schwierigkeiten beim Verfassen von Resolutionen bekommen: Ein Papier, in dem die SchriftstellerInnen die Bedrohung der Pressefreiheit (Lex Oskar!) geißeln wollten, kam denn auch nicht zustande. Auch die Fragen nach dem Wann, Wie, Wo, Warum und Obüberhaupt der Vereinigung mit dem immer noch bestehenden Ost-PEN kamen ihrer Lösung keinen Schritt näher. Es gab aber schöne Beispiele für das Barthessche Motto: Als etwa Günter Grass vor der Tendenz warnte, nach dem Zusammenbruch der sozialistischen Staaten die Begriffe „Solidarität“, „Utopie“ sowie „links“ und „rechts“ aus dem politischen Vokabular zu streichen, kam es zum Streit. Herta Müller, in Rumänien als unliebsame Schriftstellerin vom Ceaușescu-Regime verfolgt und mit dem Tod bedroht, wollte sich auf die Konservierung des Wortes „Solidarität“ nicht einlassen. Sie findet dieses Wort „zum Kotzen“: „Alles Schweinische, was ich erlebt habe, wurde mit diesem Wort belegt.“ Müller allerdings wollte sich auf Barthes' sophistische These nicht einlassen: Es seien „die Menschen, die die Worte schuldig machen“. Überhaupt scheint sich in der Frage der Sprachpolitik ziemliche Verwirrung breitzumachen: Grass, vor Jahren noch von der Wiedervereinigung geradezu persönlich beleidigt, hat sich mittlerweile zum linken Nationalisten umschulen lassen. Nun will er, wie in Düsseldorf zu hören war, den Begriff der Nation nicht mehr den Rechten überlassen. Man müsse ihnen durch eine positive Besetzung des Begriffs von links her „das Wasser abgraben“. Auweia! Wie kann man nur immer so weit hinterherhinken und so rein gar nichts mehr mitbekommen! (Die These stand bereits vor Jahr und Tag in der „Zeit“ – und was dort steht, ist bekanntlich immer schon gut abgehangen.) Die Rechten haben gerade darauf gewartet, daß die Linken endlich auf den Trichter mit der Nation kommen, damit sie ihnen das Terrain abtreten können. Und was werden sie erst dumm aus der Wäsche schauen, wenn ihnen diese gewiefte Linke unter Führung von K. Hartung und G. Grass das Thema weggenommen hat! Saudumm werden's schauen! Wir auch.

Unter dem Titel „Verehrt – verfolgt – vergessen: Schauspieler als Nazi-Opfer“ wird heute im Düsseldorfer Schauspielhaus eine Ausstellung eröffnet. Zu dem Thema gibt es mehrere Sonderveranstaltungen, darunter Vorträge über „Verfolgung und Repression im Theater Nazideutschlands“ und über den „Karriereknick unterm Hakenkreuz“.