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Im Dienstweg eskaliert

■ Lichtenbergs Bürgermeister Mucha (Bü 90) hat 21.000 Mark für Büromöbel ausgegeben: "Ich wollte nur einen Stuhl"

Der Rechnungshof kritisierte in der vergangenen Woche, Dr. Gottfried Mucha habe 1993 für 21.000 Mark sein Amtszimmer neu eingerichtet, obwohl sein Vorgänger Christian Kind (SPD) ein Jahr zuvor 15.000 Mark für die Gestaltung ausgab. Frisch aus dem Urlaub zurück, stellt sich Mucha der Kritik.

taz: Schämen Sie sich?

Mucha: Selbstkritik hatte ich bereits ohne den Rechnungshof geleistet. Kurz und gut, ich denke, daß es ein Fehler war. Das war das falsche Zeichen, und das muß mißverständlich sein. Das hätte ich voraussehen können – habe ich aber nicht. Als ich mein Amt antrat, war mein simpler Wunsch, andere Stühle und einen anderen Schreibtisch zu bekommen. Was daraus wird und wie das nach hinten losgeht – das habe ich mir nicht vorstellen können.

Sie waren sich nicht darüber im klaren, wie teuer das wird?

Als ich das Zimmer übernahm, war das wie ein Museum eingerichtet. Da war ein Gründerjahre- Schreibtisch ohne Schubfächer und ein Schrank mit viel Schnitzwerk, in dem aber die Tiefe fehlte, um Aktenordner einzustellen. Die Stühle waren holzgeschnitzt und hatten rotem Samt – nur lange drin sitzen konnte man nicht. Das war überhaupt keine Büroeinrichtung. Da konnte man nur repräsentieren, aber nicht arbeiten. Das Verwaltungsamt erklärte jedoch, das Zimmer meines Vorgängers sei von einem Innenarchitekten gestaltet worden. Deshalb könne man nicht einfach andere Stühle reinstellen, sondern müsse alles austauschen. Das geschah dann auch. Es gab nie eine Anfrage, von wegen zu teuer. Aber bei der Auskunft hätte ich eigentlich schalten und mir vorlegen lassen müssen, was das bei meinem Vorgänger eigentlich gekostet hat. Im nachhinein bin ich schlauer.

Sie halten sich Arglosigkeit zugute?

Dummheit und Arglosigkeit. Ich hatte einfach auch andere Probleme und wollte eigentlich nur einen Stuhl, auf dem ich sitzen und arbeiten kann. Ich wollte keine Neuausstattung des Büros. Das ist dann im Dienstweg eskaliert.

Sie haben gegen die Arbeit des Rechnungshofes auch nichts einzuwenden?

Nein. Ich kann nur sagen, daß die Kritik an mir im Grunde berechtigt ist, aber in der Darstellung ein völlig falsches Bild entstanden ist nach dem Motto: Die leben wie die Fürsten. Das hat bei mir keine Rolle gespielt. Das Problem war eigentlich die Einrichtung durch meinen Vorgänger. Die war für den Zweck völlig ungeeignet. Durch einen fleischrosa Teppich sah es hier zudem aus wie im Bordell. Ich hätte dennoch damit leben müssen. Den Vorwurf muß ich mir machen, gerade wegen unserer Haushaltssituation. Vielleicht hätte ich mir einfach einen anderen Stuhl mitbringen müssen.

Der Rechnungshof hat angeregt, Verwaltungen müßten für unsinnige Ausgaben Strafe zahlen.

Ich habe schon hin und her überlegt, das aus eigener Tasche zu bezahlen – vor allem wegen der politischen Hygiene. Mit ist nur von der Verwaltung gesagt worden, damit würde ich die Sache nur noch schlimmer machen, und das wäre ein falsches Signal. Ich fühle mich ausgesprochen unwohl. Das ist jetzt eineinhalb Jahre her, und ich kann das auch nicht mehr gutmachen. Aber ein Grund zum Rücktritt ist das nicht für mich. Gespräch: Gerd Nowakowski

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