: Nach Ausstellerrückzug droht der Absturz
■ Luftfahrtausstellung: Jeder fünfte Aussteller blieb weg / Trotz Millionen-Subventionierung der Länder droht Defizit
Der Jäger 90, der auf der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung (ILA) im Juni vor zwei Jahren präsentiert wurde, war aus Holz. Bei der diesjährigen Ausstellung auf dem Flughafen Schönefeld wird das von Italien, Spanien, England und der Bundesrepublik entwickelte Kampfflugzeug gar nicht mehr zu sehen sein. Offenbar wollten die Veranstalter, die Messe Berlin GmbH und der Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI), nicht erneut riskieren, daß der brandenburgische Ministerpräsident Stolpe (SPD) seinen Messebesuch – wie vor zwei Jahren – aus Protest absagt. Wenn die ILA '94 am Samstag ihre Pforten für Fachbesucher und Privatpublikum öffnen wird, soll der Anteil von Kampfflugzeugen und Militärhubschraubern weiter abgenommen haben. Die Hinwendung zum Pazifismus ist allerdings weniger einem friedliebenden Anspruch der Veranstalter geschuldet, sondern vielmehr der Rezession in der Rüstungsindustrie. Der Umsatz von Wehrtechnik in der Luftfahrt betrage nur noch 25 Prozent, berichtete gestern BDLI-Sprecher Rolf Dörpinghaus, da sei auch die Zahl militärischer Aussteller „rückläufig“. Statt sich an dieser Entwicklung zu erfreuen, versuchen BDLI und die Messe GmbH dem Trend entgegenzuwirken. So treffen sich am Freitag kommender Woche die Luftwaffenchefs aus den Nato- und ehemaligen Warschauer-Pakt- Staaten zu einem „Meinungsaustausch“. Wie hoch der Anteil von Waffen und Rüstungsgütern auf den Rollfeldern von Schönefeld sein wird, vermochte Luftfahrt- Lobbyist Dörpinghaus nicht zu sagen. Vor zwei Jahren war rund ein Drittel der Messe von Militärs in Anspruch genommen worden. Rückläufig ist aber überhaupt das Interesse der Flugzeugindustrie. Der bislang größte Aussteller, die DASA, hatte am Jahresanfang ihre Teilnahme auf Grund von Massenentlassungen im eigenen Haus abgesagt. Die Messe soll diesmal ein „Schaufenster eines attraktiven Wachstumsmarktes“ sein, meinte BDLI-Sprecher Dörpinghaus. Doch solche Kraftsprüche sind offenbar nur Zweckoptimismus: Die Zahl der Aussteller fiel um mehr als ein Fünftel auf 390. Sie zeigen eine Woche lang über 230 Flugzeuge, Hubschrauber, Satelliten und anderes „Fluggerät“ aus 29 Ländern.
Deswegen mußte auch die Ausstellungsfläche von 160.000 auf 120.000 Quadratmeter reduziert werden. Und wo weniger zu sehen ist, wird auch weniger verdient. Ob die Messe Gewinn abwerfen wird, wollte Jochen Martin, Chef der Messe Berlin GmbH, gestern nicht abschätzen. Dabei wird die Veranstaltung von Brandenburg bereits mit 6,1 Millionen, von Berlin mit 1,5 Millionen und vom Bund mit einer Million Mark unterstützt. Damit keine Defizite anfallen, sagte der Messe-Chef, müßten 150.000 bis 170.000 Eintrittskarten verkauft werden. Vor zwei Jahren waren es 130.000.
Diesmal ist die bis zum übernächsten Sonntag veranstaltete Messe für jeden Tag sowohl für Fach- wie Privatleute geöffnet. Auch wenn von den Veranstaltern technische Fortschritte in den Vordergrund gestellt werden, die der Umwelt nützen – etwa schadstoff- und lärmreduzierte Triebwerke oder wasserlösliche Lacke –, wird die Messe kein Ort kritischer Auseinandersetzung sein. Zu der einzigen Sonderveranstaltung, die zumindest vom Titel („Luft- und Raumfahrtpolitik auf dem Prüfstand“) her spannend werden könnte, sitzen vor allem Lobbyisten auf dem Podium. Offenbar wollen die Veranstalter durch den Flugverkehr mitverursachte Probleme wie den Klimakoller und die Zerstörung der Ozonschicht nicht auf der Tagesordnung sehen.
Gegenüber der Wirtschaft will sich die ILA '94 insbesondere als Standort für das Ost-West-Geschäft profilieren. Jeden Tag werden für 800 Mark Flüge zu den Zentren der russischen Luft- und Raumfahrt angeboten. Dirk Wildt
ILA, 28.5.–5.6., Eintritt 20 Mark/12 Mark, kostenloser Bus von Tegel, Tempelhof, Schönefeld, kostenlose Sonderzüge von Zoo, Friedrichstraße, Hauptbahnhof
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen