„Als wollte man den größten Zwerg der Welt kreieren“

■ Wenn die TU München von ihrem Konzept für den FRM-II abgeht, droht das Aus

Das erste deutsche Atomprojekt nach Tschernobyl ist ein nuklearer Winzling. Das radioaktive Inventar des Forschungsreaktors München II (FRM-II) wäre bei Realisierung des gegenwärtigen Konzepts etwa 200 mal kleiner als das eines Atomkraftwerks der Biblis-Klasse. Der sogenannte „Kompaktkern“ besteht aus einem einzigen Brennelement, das 20 Megawatt Wärme (zum Vergleich: Biblis A liefert 4.000 Megawatt Wärme) erzeugen soll.

Doch um die Energie geht es gar nicht. Objekte der Begierde sind 800 Billionen Neutronen, die der nur papierkorbgroße Reaktorkern pro Quadratzentimeter und Sekunde liefern soll. Die elektrisch neutralen Atombausteine werden aus dem Meiler herausgeleitet und dienen dann an kreisförmig um ihn herum angeordneten Experimentierplätzen etwa zu Strukturuntersuchungen an Festkörpern, chemischen und biologischen Substanzen. Dabei wünschen sich die Kernphysiker einen möglichst starken Neutronenstrahl. Der umstrittene Einsatz des neuentwickelten hochdichten Uransilizid- Brennstoffs bei gleichzeitigem Festhalten an hochangereichertem Uran-235 macht in diesem Sinne physikalisch durchaus Sinn: So soll im FRM-II das weltweit größte Neutronenfluß-Leistungsverhältnis erzielt werden.

Alan Kuperman vom Washingtoner Nuclear Control Institute (NCI) drückt es so aus: „Mit dem FRM-II ist es so, als wollte man den größten Zwerg der Welt kreieren.“ Ein vergleichbarer Neutronenfluß könnte also umgekehrt auch erzeugt werden, indem man die Leistung um etwa die Hälfte auf dann 30 Megawatt erhöht und auf hochangereichertes Uran verzichtet. Das jedoch würde Bau und Betrieb des Reaktors erheblich verteuern. Außerdem müßte die TU München mit der Planung und Genehmigungsprozedur praktisch von vorn anfangen. Die Projektverantwortlichen fürchten insgeheim, daß Bonn eine erneute Verteuerung nutzen würde, um aus dem Projekt auszusteigen.