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Kein Sex beim ersten Mal

■ Hamburger Lesben-TV „LIS“ geht heute abend erstmals auf Sendung im Offenen Kanal

Das in der Kälte geführte Gespräch vor der Wiener Lesben- und Schwulenvilla dauert so lange, daß einer sogar beim Zuschauen friert. Ein anderes Mal macht die Interviewerin während des geduldigen Zuhörens so dicke Backen, daß befürchtet werden muß, sie speie gleich. Merkwürdig nah und keinesfalls mediengerecht geschniegelt wirken auch alle anderen Beiträge. Der rauhe Charme der Bilder scheint genährt durch Enthusiasmus und durch eine medienfremde Frische, andererseits muß er zwangsläufig entstehen, wenn das journalistische Handwerkszeug noch nicht beherrscht wird. Denn schließlich war es für alle „Lissis“ das erste Mal, daß sie Kamera und Mikro in der Hand hielten.

„Lissis“, so nennen sich die sechs Lesben des Anfang diesen Jahres gegründeten lesbischen TV-Senders LIS. Hatten bisher nur Großkotzens in Berlin ein eigenes Läsbisch TV, zieht nun Hamburg, gern als Medienmetropole bezeichnet, nach. Ab heute sind auch in der Hansestadt Lesben in Sicht. LIS zeigt um 19 Uhr in der ersten Sendung fünf Beiträge: Lesben beim Frauenstreik, ein bißchen zum Londoner Lesbian And Gay Filmfestival und zu den lesbisch-schwulen Filmtagen in Hamburg, ein Musikvideo über die lesbische Subkultur in San Diego und zuguterletzt ein Porträt über die Rosa-Lila Villa in Wien. Die mediengewohnten 1.30-Minüter fehlen in der einstündigen Sendung. Als Gegenpol zu den zu lang geratenen Beiträgen wirken die frischen Zwischen-Moderationen, die von allen – mit einer Ausnahme – fröhlich bis fast-professionell vorgetragen werden. Manchmal wackelt die Kamera, Zwischenschnitte fehlen, die Schnitt-Technik selbst holpert zuweilen – doch für den Anfang ist die Sendung gut gelungen. Besonders empfehlenswert: die Veranstaltungstips mit moderner Märchentante und der Abspann in Music-Clip-Ästhetik!

Tina Mielow, eine der „Lissis“, gibt zu, „wir hatten viel Pleiten, Pech und Pannen“. Aber die sechs Berufstätigen, die alles in ihrer Freizeit organisieren und bewerkstelligen, sind zuversichtlich: „Alle machen alles und lernen alles“, betont Kirsten Blanke. Finanziert wird bislang aus eigener Tasche, das Equipment stellt der Offene Kanal. Darum ist LIS auch an dessen Statuten gebunden, die unter anderem vorschreiben, keine Pornografie zu verbreiten. Tina Fritsche sieht deshalb Schwierigkeiten in der Grenzfestlegung zur bislang fehlenden filmischen Erotik. Geplant ist allerdings eine „Kontakt-Ecke“, in der kurze Home-Videos von Liebes- und Sex-Süchtigen gezeigt werden sollen. Erwünscht sind auch Kontakte zu Lesben, die eigene filmische Beiträge beisteuern wollen. (LIS, Postfach 30 43 28, 20314 HH.)

Ein „Hetero-Aufklärungs-Programm“ (Fritsche) wollen sie auf keinen Fall machen. Als Zielgruppe sind alle Lesben von zwanzig bis sechzig anvisiert, und „auch die, die nicht in die Szene gehen“, erklärt Fritsche. Doch weil nicht alle Lesben Hamburgs das Kabel am Fernsehen besitzen, werden die LIS-Sendungen zusätzlich in der Frauenkneipe (am 15. Juni um 20 Uhr) und im Cafe Endlich (am 8. Juni um 20 Uhr) gezeigt.

Annette Bolz

Offener Kanal, KabelKanal 2, heute, 19 Uhr. Nächste Sendung: 24. Juni, 20 Uhr

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