Durchs Dröhnland
: Punkrock für Besserverdienende

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Erst vor wenigen Tagen mußte ich für ein paar Helge-Schneider- Fans aus Duisburg der Aufforderung „Schüttel dein Haar für mich!“ nachkommen. Der gute Helge hatte wahrscheinlich solche Kollegen wie Skintrade im Auge. Die schwedische Band macht so verdächtig alles richtig, als wäre ihre Mischung aus aktuellen Metal-Trends von einem PR-Manager erdacht. Die Gitarren zwischen 70er-Stampf und flotteren 90ern, Gesang zwischen Eunuchen-Auswuchs und vom Hardcore entliehener Konzentriertheit, Produktion nicht zu dreckig, aber auch nicht zu schleimig. In diesem Fall aber klingt der kleinste gemeinsame Nenner tatsächlich mal knorke. Schüttelt garantiert auch Dein Haar.

Heute, 21 Uhr im Huxley's Junior, Hasenheide 108–114, Neukölln.

In einem Text über die Badtown Boys darf niemals nicht der Hinweis auf Bad Religion fehlen, ob dieser Vergleich nun abgelehnt wird oder nicht. Auch hier wird er als durchaus treffend eingestuft, wenn auch die fünf Los Angelinos ihren Pop-Punk nicht ganz so einheitlich gestalten. Hin und wieder ist ein Stück sogar mal eine Spur langsamer, die Melodien aber sind immer sonnig freundlich. Aber erst mal zum Knuddeln sind unsere drei schottischen Freunde von Yellow Car, die das Schülerband-Image vom katastrophalen Sound über die dilettantische Covergestaltung bis zu den Songthemen (die eigene High-School, die eigene Band...) so überzeugend durchhalten, daß man wirklich nicht mehr weiß, ob das nur ein Trick oder die schlichte Wahrheit ist.

Heute, 22 Uhr, im K.O.B., Potsdamer Str.157, Schöneberg.

Kong aus Amsterdam sind eigentlich keine Band, sondern eher Musik-Performer. Live finden sich die vier Musiker auf separaten Bühnen in den vier Ecken der Halle, um von dort die Instrumentals loszulassen, die vom Aufbau zwar an Filmmusiken erinnern, aber die Sounds von House bis Hardcore adaptieren, eine ausuferende Light-Show tut ihr übriges. Die Vorgruppe Kerosene versucht in dreiköpfiger Minimalbesetzung einen z.B. von Fleischmann gesetzten Standard zu erreichen, allerdings mit englischen Texten: schwere Gitarren, Noise-Ansätze, spröde Strukturen, Gesang noch ausbaufähig.

Heute, 22 Uhr, im Tacheles, Oranienburger Straße 53–56, Mitte.

Es gibt in Hamburg – man möchte es kaum glauben – auch noch anderes als die vielbeschriebenen Blumfeldeleien. Wie in jeder anderen Stadt wohl auch z.B. eine fröhlich rockende Punkszene. Prominenteste Vertreter in der Hansestadt waren zuletzt Noise Annoys, die sich vor einiger Zeit den Schlagzeuger von Sheep On A Tree leihen mußten, sich nun auch noch den Gitarristen der Rubbermaids rekrutierten und sich deshalb fairerweise einen neuen Namen zulegte. Als Square The Circle spielt das Quartett ganz im Impetus einer Supergroup einen wundervoll abgehangenen Rock, der zwar durchaus den anständigen Zorn der eigenen Punkvergangenheit atmet, aber vor allem durch erfahrene Größe glänzt. Da sind selbst die wohlverdienten Kanten und Ecken messerscharf eingebaut. Punkrock für Fortgeschrittene. Oder Besserverdienende, wäre man mißgünstig.

Morgen, 22 Uhr, im Schoko- Laden, Ackerstraße 169/170, Mitte.

Neuestes Kapitel aus der unendlichen Geschichte „Crossover das Unmögliche“ liefern zwei Niederländer und ein Belgier, die sich den Namen Swains gegeben haben. Wer sich des öfteren auf Dancefloors wagt, wird den Klängen des Trios schon begegnet sein, aber sich wohl kaum noch explizit daran erinnern. Zu umfassend sind ihre Stilzitate, zu austauschbar die einzelnen Elemente. Da finden sich chartsträchtiger White-Eyed-Soul ebenso wie Rap, trockene Breakbeats neben elegant groovenden Frequenzen wie von den Stereo MCs oder gleich monotone House-Rhythmen. Einziges eindeutig zuzuordnendes Element der Swains ist eine Sixties-Orgel, die man in solcher Dancemucke bisher äußerst selten (mal von Acid Jazz abgesehen) gehört hat. Wie in den meisten anderen Fällen auch macht es hier die Mixtur. Und die groovt. Und das will der Tanzschaffende. Und das kriegt er reichlich.

Morgen, 22 Uhr, Tacheles.

Breed sind von der Sorte, die einen zuerst abstößt, dann in die Arme schließt, dann riecht man den fauligen Atem und weicht zurück, dann kriegt man ein schlechtes Gewissen und Mitleid... Irgendwann wird man gut Freund. Als erstes hört man diese absurd stotternden Rhythmen, dann die warm unfangende Stimme von Simon Breed, dann versteht man die unappetitlichen Geschichten, die er erzählt, dann spürt man die stille Verzweiflung, die auch in einem selbst immer zugange ist... Breed stammen urspünglich aus Liverpool, sind aber inzwischen – wo sonst – in London gelandet, und vielleicht genau das, worauf man dort solange gewartet hat. Ihre allererste Veröffentlichung wurde zur „Single of the Week“ im Melody Maker, John Peel nahm schon zwei seiner Sessions mit dem Trio auf, bevor die überhaupt eine vollständige Platte zusammen hatten. Es scheint fast, als wären Breed der Fluchtweg aus der Sackgasse, in der sich der englische Pop seit dem Ableben der Smiths befindet, eben weil sie sich zwar des allgegenwärtigen Gitarrenschrammschramms bedienen, aber dessen Starre in eine arhythmisch wirkende Verwirrtheit auflösen, die sonst eher aus Übersee zu kommen hat. Der Vergleich zu den australischen Birthday Party fällt immer wieder, trifft auch in einigen Punkten, aber wo in Nick Caves erstem Leben die Schwärze allzu oft außer Kontrolle zu geraten drohte, wissen Breed in lässiger englischer Distinguiertheit genau, wo der gute Geschmack seine Grenzen hat.

Am 29.5. um 22 Uhr mit Ein Stinging Nettle im K.O.B.

Die bösewichtigen Gedanken gleich vorneweg: Hört man Sheryl Crow, könnte man meinen, die Industrie hätte Panik, möglicherweise den noch gar nicht recht ins Rollen gekommenen Zug Neo- Folk zu verpassen. Die entsprechenden Verbindungen hat die Frau aus Missouri durch langjährige Backing-Vocals-Tätigkeiten für illustres Personal wie Rod Stewart, Bonnie Raitt, Michael Jackson oder Don Henley ohne Zweifel. Aber auch das macht ihre eigene, sanft dahinzockelnde Musik nicht schlechter. In den besten Momenten macht sie einen glauben, sie wäre als eine Art Kaspar Hauser in einer fensterlosen Bretterbude in der Nachbarschaft von Woodstock aufgewachsen. Da werden all die schönen altmodischen Instrumente ebenso bemüht wie die peinlich genaue Beobachtung des eigenen Bauchnabels, die Songwriting immer noch so unvergleichlich spannend macht.

Am 29.5. um 20.30 Uhr im Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg. Thomas Winkler