: Keine Gnade für dreißig Berliner Gefangene
■ Justizsenatorin Peschel-Gutzeit bekräftigt Verlegung von Gefangenen nach Sachsen-Anhalt / Weiterhin restriktive Berliner Linie bei Drogenverfahren
Justizsenatorin Lore Maria Peschel-Gutzeit (SPD) hat gestern ihr Vorhaben bekräftigt, dreißig Gefangene aus Berlin in Haftanstalten in Sachsen-Anhalt zu verlegen. Der Justizminister von Sachsen-Anhalt, Walter Remmers (CDU), habe jedoch zur Bedingung gemacht, daß es keine Gefangenen sein dürften, die „ein ganz besonderes Sicherheitsrisiko für den Vollzug bedeuten“. Sie selbst sei der Meinung, daß nur Gefangene verlegt werden dürften, die in Berlin keine persönlichen Bindungen hätten. Sie will damit nicht nur das akute Problem der Überbelegung der JVA Tegel lösen, sondern strebt damit auch die Bildung einer Vollzugsgemeinschaft mit den Bundesländern Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern an. Von Brandenburg erhofft sie Unterstützung bei dem noch zu bauenden „hochspezialisierten“ Vollzugskrankenhaus in Berlin-Buch.
Eine Vollstreckungsunterbrechung nach der Verbüßung der Hälfte der Strafe hält die Justizsenatorin für keine geeignete Lösung zur Bewältigung der Überbelegung. Dies sei erst dann eine geeignete Maßnahme, wenn die Knäste aus den Nähten platzten. Zur Zeit fehlen in den Berliner Haftanstalten, in denen 4.200 Gefangene einsitzen, 90 Plätze.
In der Drogenpolitik und Einstellungspraxis von Verfahren bei Besitz von geringfügigen Mengen von Haschisch und Heroin wird Berlin auch in Zukunft keine Vorreiterrolle spielen. Laut Peschel- Gutzeit erarbeitet die Staatsanwaltschaft zur Zeit Richtlinien zum Paragraphen 31a Betäubungsmittelgesetz, in denen definiert werden soll, was eine geringfügige Menge ist. In Nordrhein-Westfalen werden Verfahren bis zu 10 Gramm Haschisch und 0,5 Gramm Heroin eingestellt. Peschel-Gutzeit tendierte gestern jedoch dazu, sich in den Berliner Richtlinien gar nicht erst auf Grammangaben festzulegen, sondern lediglich von Konsum- und Portionseinheiten zu reden. Als Hamburger Justizsenatorin war sie dafür eingetreten, daß Verfahren wegen des Besitzes von Haschischmengen, die in eine Zigarettenschachtel passen, eingestellt werden. Den Rückschritt in Berlin erklärte sie gestern damit, daß sie nicht gegen den Willen des Regierenden Bürgermeisters und anderer Senatsmitglieder handeln wolle. Es läge jedoch durchaus in ihrer Kompetenz, im Alleingang mit der Staatsanwaltschaft die Richtlinien zu erlassen. Richtlinien „machen nur dann Sinn, wenn sie akzeptiert werden“. Wie berichtet, hat das Bundesverfassungsgericht den Bundesländern aufgegeben, eine „einheitliche“ Richtlinie zum Haschischbesitz zu erarbeiten. Laut Peschel-Gutzeit werden zur Zeit dazu Vorschläge vom Strafrechtsausschuß der Länder erarbeitet. Mit einem Beschluß sei jedoch nicht vor dem Herbst zu rechnen. Plutonia Plarre
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