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Weizsäcker-Report

■ Der vom Bundespräsident in Auftrag gegebene "Bericht zur Lage des Fernsehens" soll heute offiziell vorgestellt werden

Es ist soweit. Gerade mal zehn Jahre nachdem die deutsche Fernsehlandschaft durch die Zulassung kommerzieller Veranstalter in ihren Fundamenten erschüttert wurde, rufen die Politiker nach Schadensbegrenzung. Die Konkurrenz von kommerziellen und öffentlich-rechtlichen Anbietern hat in den Augen vieler eine Spirale der Programmverflachung in Gang gesetzt, ließ Sex und Gewalt zur alltäglichen Bildschirmkost werden und deformierte den politischen Journalismus zum Infotainment. Eine Entwicklung, die heute selbst den konservativen Befürwortern des „freien Fernsehens“ (wie es vor einem Jahrzehnt noch genannt wurde) nicht mehr geheuer ist.

Bundeskanzler Kohl lud im Januar etliche Medienwissenschaftler in seine Amtsstuben, um sich den Forschungsstand zur Gewalt im Fernsehen erläutern zu lassen, und CDU-Generalsekretär Hintze forderte schon im vergangenen Sommer einen „Medienrat zur Selbstkontrolle des Fernsehens“, eine Idee, die auch Bundespräsident von Weizsäcker im letzten Jahr den Medienmanagern der Republik vortrug.

Schadensbegrenzung

So holte von Weizsäcker kurz darauf eine achtköpfige Kommission von Experten zusammen, die (pikanterweise unter dem Dach der Bertelsmann-Stiftung) einen „Bericht zur Lage des Fernsehens“ erarbeiten sollte – eine Aktion, die den Spiegel zu der Mutmaßung veranlaßte, das scheidende Staatsoberhaupt werde „sich nach dem Ende seiner Dienstzeit [...] dem Projekt TV-Kontrolle widmen“.

Das rund 140 Seiten starke Papier liegt dem Präsidenten immerhin schon seit dem 18. Februar vor. Die Öffentlichkeit erfuhr dessen Inhalt jedoch erst jetzt häppchenweise aus den Zeitungen, just nachdem Roman Herzog am Pfingstmontag zum Nachfolger von Weizsäckers gekürt wurde.

Offenbar fürchteten manche Kommissionsmitglieder angesichts des bevorstehenden Personalwechsels um die Früchte ihrer Arbeit und lancierten den bisher unter Verschluß gehaltenen Bericht in der Öffentlichkeit. Schließlich lautet eine der Kernforderungen des Gremiums um den Verfassungsrichter Ernst Gottfried Mahrenholz, die „öffentliche Erörterung der Probleme des Fernsehens voranzutreiben“.

Durchaus kritisch setzt der Report sich mit den ökonomischen und publizistischen Folgen des dualen Fernsehens sowie mit dessen Zukunft auseinander. Bis ins Detail einzelner Sendungen (von Pro 7-Produkten bis zu „Stern TV“) erläutert der Bericht die Auswüchse eines sensations- und quotengeilen Journalismus, unterscheidet zwischen einer argumentativ-kritischen Berichterstattung und der nur mit rhetorischen Kniffen zur Schau gestellten Kritik. Die wirtschaftliche Konzentration privater Medienmacht, an deren Kontrolle die Landesmedienanstalten im Fall Leo Kirch und Pro 7 jüngst erst gescheitert sind (vgl. taz vom 13.5.), müsse mit schärferen Mitteln bekämpft werden, fordern die Experten. Die „interne Kontrolle“ der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten durch die Aufsichtsgremien bedürfe der Nachbesserung. An die Stelle der ehemals intendierten Staatsferne trete heute die „Gefahr der Gängelung“ durch die Parteien.

Klare Worte auch, wo es um die Konflikte zwischen den normativen Vorgaben an die JournalistInnen und deren praktischer Umsetzbarkeit im politischen Alltag geht: Die „diskursive Vermittlung politische Positionen“ wird als hehres Ziel des Journalismus hervorgehoben. Zugleich aber gestehen die Gutachter ein, daß es für die JournalistInnen „keine leichte Aufgabe sein dürfte, eine argumentative ,Streitkultur‘ mit Experten für politische Public Relations zu etablieren“.

Hier zeigt sich denn auch, daß der „Bericht zur Lage des Fernsehens“ – bei aller Skepsis, die er gegenüber den eingefahrenen Ritualen der politischen Kultur wie gegenüber den ökonomischen Zwängen des Mediensystems an den Tag legt – eben nur Schadensbegrenzung leisten kann. Es wird zwar bemängelt, daß die politische Klasse selber dazu übergegangen ist, vor allem ihre „darstellerischen Qualitäten“ zu pflegen, und damit die antrainierte „Media Fitness“ und eine ausgefeilte symbolische Politik an die Stelle politischer Kompetenz zu setzen – doch am Ende wird dieser Umstand dann doch als grundsätzliche Voraussetzung der Mediengesellschaft hingenommen.

Medienverantwortung

Die Folgekosten für die so entstandene Fernsehwirklichkeit werden dann schließlich auf eine „gesellschaftliche Verantwortung in den Medien“, die sogenannte „Medienverantwortung“, kondensiert – und nicht etwa auf eine „Demokratieverantwortung“ aller Beteiligten. Eine „Vereinfachung und Effektivierung des Ordnungsrahmens“ sei darum „notwendig“.

Als Rezept dafür bieten die Experten verschiedene Modelle an: einen unabhängigen „Medienrat“ zur „Begutachtung der elektronischen Medien“, eine „Stiftung Medientest“, die den ZuschauerInnen in Form der Verbraucherberatung zur Seite steht, sowie freie „Publikumsorganisationen“, die ihre jeweiligen Interessen nach Kräften zur Geltung bringen sollen. Weil sich das Fernsehen auch in Zukunft nicht zu jenem Medium entwickeln werde, „in dem sich die Aufklärung vollendet und dessen partizipatorische Möglichkeiten wahre Demokratie erst möglich machen“, sollen also weitere Institutionen einer zunehmenden „Vermachtung der Öffentlichkeit“ (Habermas) entgegenwirken.

Ob diese Gratwanderung gelingt, hängt nicht zuletzt davon ab, ob die neuen Institutionen kein bürokratisches Eigenleben entwickeln, in dem sich die intendierte Unabhängigkeit zum elitären Interessenklüngel verflüchtigt. Auch die Medienkontrolleure werden wieder der Kontrolle bedürfen – durch eine hoffentlich dann noch funktionierende Öffentlichkeit. Achim Baum

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