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■ betr.: „Der Tod eines Verfassungs chützers“, taz vom 24.5.94

Über ungeklärte Fälle läßt sich trefflich spekulieren, und ich kann es Herrn Crawford nicht verübeln, daß er im Fall Becker dieser Versuchung erliegt. Ein Journalist darf das. Wir hingegen halten uns an Fakten.

Für den nachrichtendienstlichen Hintergrund, den Crawford in den Tod des Ehepaares Becker hereingeheimnißt, fehlt nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand jede reale Grundlage. Wenn Herr Becker unglücklich gewesen sein sollte — was hier nicht bekannt ist —, dann jedenfalls nicht, weil er bei Beförderungen übergangen worden wäre. Vielmehr hat er mit Rücksicht auf gesundheitliche Beschwerden auf die ihm angebotene Beförderung verzichtet und selbst um seine Umsetzung gebeten. Weder hat Becker die ihm bei der Aufklärung der Fälle „Lockerbie“ und „La Belle“ angedichtete Rolle gespielt, noch ist er in diesem Zusammenhang nach Zypern und Malta gereist. Und erfunden ist auch — von wem auch immer — der ominösen „diplomatischen Quellen in Ägypten — zugeschriebene Besuch Beckers in Kairo vom 4. bis 20. März.

Soviel an diesem Fall bisher auch unklar sein mag, so dürfte doch folgendes feststehen: Das Ehepaar Becker hatte seine private Autoreise am 3.3. im Raum Köln begonnen, war am 5.3. mittels Fähre von Genua nach Tunis übergesetzt und war von dort aus nach Libyen weitergereist. Dioe Pässe weisen Einreisestempel für Tunesien für den 6.3. und für Libyen am 8.3. aus. Am 9.3. wurde das Ehepaar von unbekannten Tätern überfallen. Das Sirter Krankenhaus registrierte die Aufnahme Beckers am 10.3. Ein von der Deutschen Botschaft in Tripolis aufgenommenes Nachlaßverzeichnis läßt erkennen, daß sämtliche vom Ehepaar Becker mitgeführten Wertgegenstände beim Überfall abhandengekommen sind.

Schlußfolgerungen überlasse ich dem Leser. Dr. Hans-Gert Lange, Pressesprecher des Bundesamtes für Verfassungsschutz)

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