Mostars Chancen betragen 51 Prozent

■ Hans Koschnik soll im Auftrag der Europäischen Union den Wiederaufbau der Stadt leiten

taz: Knapp zwei Tage waren Sie nun in Mostar, wo liegen die Probleme?

Hans Koschnik: Die Wiedervereinigung der Stadt hängt entscheidend von dem politischen Willen beider Seiten ab. Ich sehe bei den Kroaten da größere Schwierigkeiten, diesen Willen aufzubringen. Aber mit den Verhandlungen zwischen der kroatisch-bosnischen und der muslimisch-bosnischen Seite wurden die Weichen für die Zukunft Mostars in eine der Vereinigung beider Stadthälften förderlichen Richtung gestellt. Ich möchte darauf hinwirken, daß die Brücken zwischen den Bevölkerungsgruppen wieder gebaut werden, daß die Bevölkerung wieder zusammen lebt.

In Mostar will die EU Multikulti erreichen, in Gesamtbosnien dagegen wird im Juppé-Kinkel- Plan eine ethnische Teilung Bosniens angestrebt. Besteht da nicht ein gewisser Widerspruch?

In der Tat gehen die Politiker Europas, Rußlands und der USA davon aus, daß die Rekonstruktion Bosniens nicht möglich ist. Ich denke, daß die Idee mit Mostar daraus resultiert, daß die UNO sich Sarajevo an die Brust genommen hat und die EU nun auch etwas tun will. Der Amerikaner William Eagleton ist ja schon in Sarajevo. Die Gremien der EU haben klargestellt, daß mit Mostar ein Beispiel für das friedliche Zusammenleben von Kroaten und Muslimen gefördert werden soll. Allerdings möchte ich darauf hinweisen, daß dies nur funktionieren kann, wenn beide Seiten ihren Nutzen darin sehen. Es muß ein schneller Aufbau erfolgen. Ich befürchte jedoch, daß die EU zu viele bürokratische Karten spielt, dann ist dies eine Adoption mit schlechter Versorgung. Dann soll sich Europa nicht wundern, wenn das Ganze kein Modell wird.

Haben Sie da nicht eine ungeheure Verantwortung? Wenn Sie versagen, wird die multikulturelle Option in Bosnien weiter geschwächt.

Weiß ich doch, deswegen muß ich versuchen, schon bevor ich die Arbeit aufnehme, die Rahmenbedingungen so zu klären, daß dies eben nicht passiert. Wenn die Europäer das friedliche Zusammenleben von Kroaten und Muslimen fördern wollen, müssen sie dieses Projekt auch ernst nehmen und entsprechend ausstatten.

Ich bleibe dabei, das ist ein Spagat, einerseits die Teilung zu betreiben und andererseits Mostar wieder aufzubauen. Resultieren daraus nicht zwangsläufig politische Fehler in bezug auf ihr Projekt?

Entgegen der Stellung meiner Parteifreunde habe ich schon zu Beginn des Krieges gesehen, daß der Staat Jugoslawien nicht zu halten sein wird. Man hätte, anstatt festzuhalten an der Fiktion des gemeinsamen Staates, besser darauf gewirkt, daß in den Teilstaaten die Minderheitenrechte verankert und vor allem beachtet werden. In Bosnien liegen die Dinge wieder etwas anders. Wir dürfen jedoch nicht außer acht lassen, daß es hier große Unterschiede zwischen den Möglichkeiten des Zusammenlebens auf dem Land und in den Städten gibt. Dennoch denke ich, daß mit geeigneten ökonomischen Hilfestellungen viel getan werden kann. Die Jugend will doch auch in Bosnien eine Zukunft. Wenn in Brüssel alle an einem Strang ziehen, haben wir eine Chance. Ich gebe Mostar 51 Prozent. Interview: Erich Rathfelder