: Sorglose Jahrgänge
■ Nach den wilden Zwanzigern bekommen viele Panik wegen ihrer Rente
„Mir wird ganz schlecht, wenn ich an meine Rente denke.“ Karin Tietze (37) begann vor 18 Jahren ihr Studium in Hamburg – „erst eifrig, dann immer weniger“. Ihre Lust am Tanzen führte sie bald in eine kleine Schauspieltruppe; allerdings „nur für Ruhm und Ehre“. Ihren Lebensunterhalt verdiente sie „hier und da in Cafés“. Der Status als Studentin sicherte ihre Einnahmen. „Sozialversicherung? Davon hatte ich keine Ahnung.“ Erst Jahre später ging sie zurück an die Uni und machte schließlich im vergangenen Jahr ihren Magister. Einen Arbeitsplatz hat die Frau zwar gefunden, aber ihre Rentenberechnungen sehen düster aus: „Weniger als 800 Mark im Monat, wenn ich 65 bin.“
Thomas Krone (41) ergeht es ähnlich: Studium begonnen, nebenbei gejobbt, Studium geschmissen, als Taxiunternehmer in Berlin selbständig gemacht. „Rücklagen? Wovon denn?“ Man hatte ihm vorgerechnet, daß er jetzt wenigstens 700 Mark monatlich aufbringen müßte, um mit 65 Jahren eine Rente von 1500 Mark zu bekommen.
„Typische Fälle“, meint ein Berliner Rentenberater: „Die wilden 20er sind vorbei, viele haben lange studiert, vielleicht abgebrochen und für die Rentenversorgung so gut wie nichts eingezahlt.“ Auch ein süddeutscher freier Versicherungsmakler bestätigt: „Zwischen 40 und 45 bekommen viele Leute Panik, weil sie plötzlich an ihr Alter denken.“ Vor zehn Jahren sei für „diese Leute eine Altersversorgung schlichtweg Quatsch“ gewesen: „Kalter Krieg, AKW, Umweltverschmutzung – das Rentenalter erleben wir sowieso nicht mehr. Warum also den Versicherungen das Geld hinterherschmeißen?“ skizziert er die damals gehörten Argumente. Viele seiner heutigen Kunden könnten pro Monat allenfalls 100 bis 200 Mark für die Rente ausgeben, obwohl sie „schon 500 Mark aufwenden müßten, um eine einigermaßen vernünftige Rente zu haben“.
81 Prozent aller Rentner liegen nach rund 35 Versicherungsjahren unter 1.750 Mark im Monat, nimmt man nur die Frauen, sind es sogar 97 Prozent. Was bietet sich also als Ergänzung oder Alternative zur gesetzlichen Rentenversicherung an? Eine der „wichtigsten Vorsorgen“ sei eine Berufsunfähigkeitsversicherung (BUV), meinen Makler und Verbraucherverbände übereinstimmend. Denn wer durch Krankheit oder Unfall seine Arbeitskraft verliert, kann kein Geld mehr verdienen. In diesem Fall zahlt die BUV eine Rente in zuvor vereinbarter Höhe – besonders wichtig für Selbständige, Berufsanfänger oder junge Familien, weil diese meist gar keine oder nur geringe Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung haben. Doch werde nicht jeder Antragsteller von einer solchen Versicherung aufgenommen, ermittelte die Stiftung Warentest. „Manche Berufsgruppen werden nur mit eingeschränkter Leistung versichert oder zahlen Zuschläge.“ Die Künstlerklausel schließt zum Beispiel die Berufsunfähigkeit als Folge von „nachlassenden geistigen Kräften“ aus.
Für eine monatliche Rente von 1.000 Mark, die ab fünfzig Prozent Berufsunfähigkeit bis zum sechzigsten Lebensjahr gezahlt würde, beträgt der Beitrag für 20- bis 40jährige etwa 40 bis 50 Mark monatlich, für Frauen etwa 50 bis 70 Mark. „Junge Leute sollten sich mit etwa 1.000 Mark Monatsrente versichern, andere mit einem Drittel ihres Einkommens“, rät der Versichertenbund und warnt davor, diese Versicherung im Normalfall mit einer Kapital-Lebensversicherung zu verbinden. Die Beiträge seien dann etwa zehnmal so hoch. Besser sei es, eine reine Risikoversicherung abzuschließen und das gesparte Geld anderweitig anzulegen. Risikoversicherungen werden nur im Todesfall des Versicherten ausgezahlt und sollen verhindern, daß Kinder oder andere Erben plötzlich mittellos dastehen. Wer keine Erben zu versorgen hat, kann darauf verzichten.
Kapital-Lebensversicherungen sind im Grunde Sparverträge. Ihr Nutzen wird ebenso wie der von privaten Rentenversicherungen unterschiedlich beurteilt, da einige dieser Produkte langfristig nur mäßige Renditen bringen. Der Todesfallschutz werde „hier teuer bezahlt, und Altersversorgung hat mit Versicherung überhaupt nichts zu tun“, urteilt der Bund der Versicherten. Andere Verbraucherorganisationen indes sehen in der Kapital-Lebensversicherung durchaus eine mögliche Grundversorgung mit steuerlichen Vorteilen, insbesondere für Selbständige und Freiberufler. Doch Vorsicht: Kapital-Lebensversicherungen sind langfristige Anlagen. Jeder vorzeitige Rückkauf bringt finanzielle Verluste. In den ersten Jahren erhält man sogar weniger ausgezahlt als sich an Beiträgen summiert hat.
Fazit: Vor dem Abschluß einer Versicherung umfassend bei Maklern und Verbraucherorganisationen (nicht Einzelvertretern!) informieren, den eigenen tatsächlichen Bedarf definieren und dann unterschiedliche Angebote einholen. alo
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen