: Ukraine: Kein Ende des Nerven-Krimkrieges
■ Die Parlamente in Kiew und Simferopol lassen sich bei der Debatte über das Inkrafttreten der Krim-Verfassung viel Zeit / Ultimatum Kiews abgelaufen
Moskau (taz) – Der Nerven- Krimkrieg zwischen den gewählten Repräsentanten dieser Halbinsel und den obersten Instanzen der Ukraine eskalierte gestern in der zeitlichen Dimension. Abgelaufen war ein Ultimatum des ukrainischen Parlamentes. Mit diesem hatte es die Krim vor zehn Tagen aufgefordert, die Entscheidung, die 1992 entstandene Krim-Verfassung inkraftzusetzten, zurückzunehmen. Um es ganz spannend zu machen, verlegte der Oberste Sowjet in Simferopol die für den Vormittag geplante Debatte zunächst auf 14 Uhr, erst am Abend lehnte er die Aufhebung der Verfassung ab. Da Kiew sich von Simferopol nicht den Schwarzen Peter – eine vorschnelle Reaktion auf den Ablauf des Ultimatums – zuschieben lassen wollte, verschob auch das ukrainische Parlament den Termin seiner Sitzung.
Jedoch bestand von Anfang an wenig Aussicht, daß sich die Halbinsulaner durch die Perspektive einer von Kiew angedrohten gewaltsamen Intervention zu Beginn der Badesaison beeindruckt zeigen würden. Bereits am Montag hatten die zuständigen Kommissionen des Obersten Krimsowjets beschlossen, an dem einmal gefaßten Beschluß festzuhalten. „Wir ignorieren Kiew ja nicht und tasten die Einheit der Ukraine nicht an“, erklärte letzte Woche der Vorsitzende des Simferopoler Sowjets, Sergej Zekow. Die Krim halte lediglich daran fest, daß die Union mit der Ukraine „von unten nach oben“ aufgebaut werden müsse, die Gesetzesinitiativen somit zuerst vom eigenen legislativen Organ verabschiedet und erst dann in Kiew abgesegnet werden sollten.
Der vor elf Tagen abgefeuerte Warnschuß des ukrainischen Parlamentes ging inzwischen nach hinten los und traf – den eigenen Präsidenten Leonid Krawtschuk. Der nämlich hatte Anfang Mai versucht, die Sicherheitsorgane und das Justizministerium der Krim den Kiewer Behörden einzugliedern. Erbost durch das Ultimatum ernannten die Krim-Deputierten – nun erst recht – einen eigenen Vorsitzenden des Krim-Sicherheitsrates und eine eigene Justizministerin. Das Verhältnis zwischen dem Zentrum und der Insel verschlechterte sich soweit, daß Krim-Präsident Juri Meschkow über die Aktivitäten der ukrainischen Streitkräfte auf seiner Halbinsel eigenen Aussagen zufolge nur noch durch Gerüchte erfuhr.
Einen Ausweg aus der ultimativen Sackgasse wies gestern der Präsident des Kiewer Parlamentes, Alexander Moros. Er sprach sich gegen die Einführung der angedrohten direkten Präsidialverwaltung und jegliche Gewaltanwendung aus und kündigte an, daß zur Lösung der Probleme in nächster Zeit eine Gruppe ukrainischer Deputierter dorthin aufbrechen werde. Barbara Kerneck
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