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Kinder sind ein teures Vergnügen

■ Kinderschutzbund sieht ein steigendes „Verarmungsrisiko“ bei Familien mit Kindern / Zwei Kinder kosten eine Million!!

Kinder machen arm. Anläßlich der Vorstellung des Jahresberichts 1993 stellte der Vorsitzende des Hamburger Kinderschutzbundes, Professor Wulf Rauer, fest, daß Familien mit Kindern und Alleinerziehende ein steigendes Verarmungsrisiko zu tragen haben. Der besorgniserregenden Entwicklung könne nur im Rahmen eines gesamtgesellschaftlichen Lastenausgleiches entgegengewirkt werden.

Haushalte mit zwei oder mehr Kindern geraten nicht nur leichter unter die Armutsgrenze, die Chance zur Verbesserung ihrer Situation ist zudem geringer als bei Haushalten ohne Kinder. Bei Alleinerziehenden erreichten 1992 etwa 50 Prozent die steuerliche Freigrenze nicht. Schlechtere Arbeitsmöglichkeiten, Doppelbelastung durch Kinder und Renten, daraus folgende überdurchschnittliche Verschuldung der Familien und schlechte Wohnraumversorgung seien Faktoren des sozialen Abstiegs.

Ein Kind kostet nach Angaben des Kinderschutzbundes monatlich 800-900 Mark, wobei die Versorgungsdauer häufig übers 27. Lebensjahr hinaus verlängert sei. Schon bis zum 18. Lebensjahr beliefen sich die Aufwendungen an Unterhalt, in Geld bewerteter Erziehungsarbeit und dadurch entgangenem Einkommen auf eine Million Mark für zwei Kinder.

Nur 26,8 Prozent aller Hamburger Haushalte, davon die Hälfte mit Einzelkind, wollen diese Mehrbelastung noch tragen. Der Kinderschutzbund fordert deshalb nicht nur eine radikale Umsteuerung der Familien-, sondern auch der Arbeits-, Wohnungs- und Finanzpolitik. Dazu gehöre: das Existenzminimum der Familienmitglieder steuerfrei belassen; Hilfen, um Familie und Beruf besser zu vereinbaren; mehr Kinderbetreuungsplätze; familiengerechter Wohnungsbau und umfassender Rentenausgleich.

Ökonomische Benachteiligung von Familien wirkt sich schließlich nicht nur auf die Rente aus. Rauer: Langfristig der Ghettoisierung und dem sozialen Unfrieden entgegenzuarbeiten, läge auch im Interesse Kinderloser. Ute Schmölz

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