piwik no script img

Schöne braune Welt

■ Diskussion: Ist „New Age“ eine sanfte Version des Faschismus?

Was ist neu am neuen Zeitalter? Ein in Philosophie und den Naturwissenschaften, doch vor allem im Bereich der Esoterik immer wieder heraufbeschworenes neues Denken fördert zumindest eines immer neu zutage: Diskussionsbedarf.

Den sieht auch Peter Kratz, Leiter des Bonner Instituts für Faschismus-Forschung, und schrieb mit „Die Götter des New Age“ ein Buch, welches in Kombination mit seinem Autoren am Dienstag abend den Saal des Lagerhauses bis auf den letzten Platz füllte. Und so gab sich der später lautstärkere Teil des Publikums zunächst der Übung hin: Zen und die Kunst, einem nüchternen Atheisten zuzuhören.

Kernaussage des provokanten Werkes: Die gemeinsame Weltanschauung in den vielen Strömungen des New Age gleicht grundlegend der Ideologie des Faschismus. Das Schlüsselwort für die Gemeinsamkeiten zwischen Faschismus und New Age lautet für den Psychologen Kratz: Der den beiden Ideologien zugrunde liegende pantheistische Gottesbegriff, welcher das Göttliche Prinzip in allen Dingen wirken sieht. „Die Konsequenz“, so der Faschismus-Forscher, „liegt dabei in der Selbstvergöttlichung des Menschen, denn auch in ihm wirkt ja Gott.“

Daß menschliches Handeln – als quasi-göttliches – unhinterfragbar wird, hat für Kratz nur den einen Sinn: „Die Eliten der Gesellschaft können ihr göttliches Handeln den Mehrheitsentscheidungen einer Gesellschaft entziehen und machen sich dadurch selbst zu Göttern.“

Die aufklärerische Emanzipation des Menschen funktioniere nicht mehr in einer Weltanschauung, die den Organismus als Modell für die menschliche Gesellschaft propagiert. „Jedes Teil dieses Organismus ist nach diesem naturreligiösen Weltbild an seinem göttlich vorgesehenen Platz. Die Existenzberechtigung der Teile bestehen nur im Hinblick auf das Ganze.“ Übertragen auf die Gesellschaft enstehen für Kratz dunkle Wolken beispielsweise dann, wenn menschliche Technologien wie die Gentechnik naturgöttlich abgeleitet werden, wenn sich WissenschaftlerInnen plötzlich als die Schöpfer ihrer eigenen Wirklichkeit verstehen.

Kratz: „Wenn der Mensch göttlich ist, und dieser Mensch die Technik hervorbringt, was kann dann falsch an dieser Technik sein?“ Eine fatale Parallele zu faschistischer Ideologie, in der die Überlegenheit einer Rasse auf dem Anspruch des Herschaftswissens basiere und in der die Technik zur Fortsetzung menschlicher Evolution erhoben wird.

Ein solches Herrschaftswissen habe eben auch jemand, der sich im Organismus der menschlichen Gesellschaft als Guru versteht. In der Vielfalt der Teile sei so manches gleicher als das andere. Kratz: „Das Motto, jedes Volk bete auf seine Weise, ist der Kern des Nationalismus. Wir müssen diese Weltanschauung sehr ernstnehmen, da wir täglich sehen, daß der Faschismus und seine sanfte Variante des New Age zunehmen.“

Das Publikum tat sich schwer mit der Herleitung von Parallelen zwischen New Age und Faschismus. Pauschalität, eine Beschränkung auf die theoretische Auslegung, fehlende Darstellung der Gefahren des New Age und vor allem der Alternativen wurden dem überzeugten Sozialisten vorgeworfen. Besondere Aufregung kam auf, als Kratz im Rahmen seiner Klärung faschistischer Begriffe von der Ganzheit, über Gestalt, und somit zur begrifflichen Grundlage der Gestalt-Therapie kam.

Das ging einigen ZuhörerInnen dann doch zu weit. Sie fragten den Forscher, ob es überhaupt noch etwas gebe, das nicht zu seiner Vostellung des New Age gehöre. Daß der Gestalt-Begriff ihm suspekt sei, dürfe ja nicht darüber hinwegtäuschen, daß diese Therapie-Form vielen psychisch erkrankten Menschen eine wichtige Hilfe sei. Und Alternativen habe er wohl auch nicht anzubieten. „In der Kirche eine Kerze aufzustellen“, erwiderte Kratz, „ist ja einigen Menschen auch schon eine Hilfe. Wenn Ihr von mir wissen wollt, was falsch und was richtig ist, kann ich Euch nicht helfen. Jeder muß das für sich selbst herausfinden.“ André Hesel

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen