: „Bis es knackte“
■ Polizei-Prügelorgie vom Gänsemarkt hat ein parlamentarisches Nachspiel
Die GAL hat eine Sondersitzung des Innenausschusses der Bürgerschaft beantragt, um die Polizeiübergriffe während der Kundgebung mit dem Rechtsradikalen Jörg Haider am Montag aufzuklären. Das kündigte gestern der innenpolitische Sprecher der Grünen und „Kritische Polizist“ Manfred Mahr an: „Beamte, die wehrlos am Boden liegende Demonstranten mißhandeln, haben in diesem Beruf nichts zu suchen.“
Bei der Wahlkampfveranstaltung des „Bundes freier Bürger“ auf dem Gänsemarkt war es zu „regelrechten Prügelorgien“ (Mahr) durch zivile Greiftrupps gekommen (taz berichtete). Nach Auffassung Mahrs sind von der Polizeiführung „schwerwiegende taktische Fehler begangen“ worden, zudem seien die Ziviltrupps „völlig außer Kontrolle geraten“. Innensenator Hackmann sieht das offenbar ähnlich: Er kündigte gestern eine „umfangreiche Untersuchung“ an und forderte Augenzeugen und Presseorgane auf, Aussagen sowie Film- und Fotomaterial zur Verfügung zu stellen (die taz tut dies mit Vergnügen: siehe Hintergrundbericht auf Seite 34).
Die Staatsanwaltschaft forderte Mahr auf zu prüfen, „ob sich die eingesetzten Beamten des schweren Landfriedensbruchs schuldig gemacht haben.“ Zugleich appellierte er „an alle Kollegen, die nicht als Beschuldigte gelten und den Vorfall gesehen haben, die Beamten anzuzeigen, die für Mißhandlungen verantwortlich sind.“ Von der Polizeiführung verlangte er, „den Kollegen, die sich als Zeugen zur Verfügung stellen, volle Rückendeckung zu geben“.
Für den Journalisten Oliver Neß hat der Überfall gravierende Folgen. Ihm war, am Boden liegend, der Fuß verdreht worden. Neß: „Ich spürte, wie ein Beamter mir den Schuh auszog. Dann hat er den Fuß gedreht, bis es geknackt hat, dann hat er das ganze nochmals in die andere Richtung gemacht, bis es wieder geknackt hat.“ Ärzte der Endo-Klinik diagnostizierten einen doppelten Bänderriß. Nach sechs Wochen Gipsverband soll entschieden werden, ob operiert werden muß.
Neben einem Strafantrag wegen Körperverletzung erwägt Neß' Anwalt Gerd Strate eine Schadensersatzklage. Neß wollte am Montag für zwei Monate nach Mexiko reisen, um für die ARD einen Dokumentarfilm zu drehen. Neß: „Wir haben das Projekt drei Monate vorbereitet. Das wird nun alles nicht gehen.“
Kai von Appen
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