: Unterstützung für die „guten“ Deutschen
Präsident Walesa lädt seine Amtskollegen aus Rußland und Deutschland zur Feier des 50. Jahrestages des Warschauer Aufstands ein und löst damit eine heftige Diskussion aus ■ Aus Warschau Klaus Bachmann
Am 1. August dieses Jahres jährt sich zum fünfzigstenmal der Beginn des Warschauer Aufstands. Polnische Patrioten hatten sich entschlossen, ihre Stadt selbst zu befreien. Ohne Hilfe von außen, ohne nennenswerte Lebensmittelvorräte und nur unzureichend bewaffnet, kämpften sie wochenlang gegen die deutschen Besatzer. Am anderen Ufer der Weichsel standen derweil sowjetische Panzer und warteten. Stalin verbot den Westalliierten sogar Zwischenlandungen auf sowjetisch besetztem Gebiet für Hilfsflüge. Die Rote Armee sollte Warschau befreien, nicht die polnischen Aufständischen, die überwiegend antikommunistisch waren. Bei Kämpfen, Geiselerschießungen und Flächenbombardements der deutschen Luftwaffe starben so 200.000 Menschen.
Zu real sozialistischen Zeiten war das abwartende Verhalten der Roten Armee für offizielle Historiker tabu. Nachdem Polens Präsident Walesa seine Amtskollegen aus Deutschland und Rußland eingeladen hat, an den Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag des Aufstandes teilzunehmen, ist die Debatte darüber nun um so heftiger. Gegen das geplante feierliche Defilee der Veteranen vor der Ehrentribüne protestierten als erste die Veteranen selbst: „Das ist unser Feiertag, an diesem sollten die Präsidenten von Deutschland und Rußland an uns vorbeimarschieren und das Haupt entblößen.“ Prinzipiell hatten die Veteranen gegen die Teilnahme der ausländischen Gäste allerdings nichts einzuwenden.
Das haben vor allem die Politiker. So etwa Adam Bien, der letzte noch lebende Minister der Londoner Exilregierung Polens: „Ich bin als Christ bereit, zu vergeben“, erklärte Bien, „aber ich bin dagegen, die Präsidenten Deutschlands und Rußlands einzuladen, denn beide Völker haben immer den polnischen Patriotismus bekämpft.“ Für Edwin Rozlubirski, der am Aufstand als einer der Führer der kommunistischen „Volksgarde“ teilnahm, ist eine Einladung deutscher Politiker fehl am Platze, „weil die Deutschen den Aufstand auf unmenschliche Weise bekämpft haben: Da wurden Verwundete bei lebendigem Leib verbrannt, Frauen vergewaltigt und brennendes Benzin in die Abwasserkanäle geschüttet, durch die die Aufständischen sich zurückzogen.“
Wieslaw Chrzanowski, früherer Parlamentspräsident und Chef der „Christnationalen“, dagegen hat Zweifel, ob die Anwesenheit Roman Herzogs eine Ehrerbietung Deutschlands an die Aufständischen oder einfach nur „ein Händeschütteln zwischen zwei ehemaligen Gegnern“ sein soll. Letzteres lehnt auch er ab, denn in Warschau – und da sind sich im Grunde alle in Polen einig – seien nicht wie nach dem D-Day in der Normandie zwei vergleichbare Gegner aufeinandergestoßen. Statt dessen habe Deutschland seine Militärmacht eingesetzt, um die ganze Hauptstadt planmäßig zu vernichten. Chrzanowski ist der Ansicht, daß Deutschland sich von dieser Vergangenheit heute distanziert. Im Falle Rußlands ist das nicht nur für Chrzanowski zweifelhaft.
Andrzej Zakrzewski, für die Feierlichkeiten zuständiger Staatssekretär, verteidigt die Einladung Walesas. Der Krieg sei seit 50 Jahren vorbei und sowohl Jelzin als auch Herzog und der ebenfalls eingeladene Expräsident Richard von Weizsäcker hätten sich von den Verbrechen der Vergangenheit distanziert: „Der Präsident hat nicht Vertreter Deutschlands, sondern der Bundesrepublik eingeladen, also eines Staates, der in der Opposition und auf den Trümmern des Dritten Reiches erstand.“
Immerhin hätten die Deutschen sogar mit Willy Brandt einen Kanzler gewählt, der während des Krieges in der antifaschistischen Opposition gewesen sei. Auch Jelzin sei nicht als Vertreter der Sowjetunion, sondern Rußlands eingeladen. Und schließlich sei der Sinn der Einladung nicht, Stalinisten und Nationalsozialisten über den Gräbern der Aufständischen zu vergeben, sondern lediglich, dieser Aufständischen gemeinsam zu gedenken.
So sehen das an der Weichsel allerdings längst nicht alle Befürworter der Einladung Walesas. Für Jan Nowak-Jezioranski, der selbst vor fünzig Jahren im Untergrund aktiv war und immer noch eine Art moralische Instanz der antikommunistischen Opposition ist, bedeutet die Einladung „eine Geste der Aufmunterung und Vergebung“: „Niemand kann uns garantieren, daß die deutschen Nationalisten jenseits der Oder nicht noch einmal an die Macht gelangen. Dem können wir zumindest ein wenig vorbeugen, indem wir jene Deutschen unterstützen, die uns die Hand entgegenstrecken.“ Das stärke die Freunde Polens und schwäche ihre Gegner.
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