Nachschlag

■ Kurz-Video über ein Foto, das nie gemacht wurde

„Ein besseres Foto von diesem Krieg hätte man nicht machen können!“ Ein alte Frau und ein Kind vor zusammenstürzenden Häusern: ein Granatenangriff, die Gesichter von Todesangst gezeichnet. Der Berliner Fotograf Olaf Wyludda und sein Wunsch „Ich wollte einfach dieses Foto haben“ sind Gegenstand des gleichnamigen 25-Minuten-Videos, das am Montag in der privaten Medienakademie „bildo“ im Wedding gezeigt wurde. Der Film von Thomas Kutschker, der beim 7. Freiburger Videoforum 1993 den Förderpreis erhielt, stellt die Besessenheit des Bildberichterstatters im Kriegsgebiet in den Mittelpunkt. Als Wyludda auf den richtigen Moment zum „Abdrücken“ wartet, wird er selbst von einem Granatsplitter schwer verletzt. Das Foto kann er nicht mehr „schießen“.

Professioneller Fanatismus? Ethik im Kriegsjournalismus? Gar unterlassene Hilfeleistung? In einer Diskussion im „bildo“ ging das Publikum – zum größten Teil selbst angehende Fotografen – recht vorsichtig mit solchen Fragen und Vorwürfen um. Von größerem Interesse war die Darstellungsform. Der Filmemacher Kutschker benutzt das Medium Video auf eigenartige Weise. Die gezeigten Bilder – Kriegsfotografien von Wyludda aus Kroatien – bleiben hinter einem weißlichen Schleier unscharf und ohne ausreichenden Kontrast. Die Sinne des Betrachters konzentrieren sich bald auf den Ton. Wyludda schildert in einer Mischung aus Berliner Schnauze und Frontjargon, wie er das Bild machen wollte, das „ihm vielleicht den Pulitzerpreis“ eingebracht hätte.

So entsteht dieses Foto im Kopf des Zuhörers. „Ich wollte wissen, ob das funktioniert: das Bild zu schaffen, das nicht existiert“, erklärt Kutschker seine Motivation für den Film, der eigentlich ein Hörspiel ist. Auch er habe wie Wyludda die „antiquierte Idee, der Welt zu zeigen, was dort geschieht“. Das Experiment ist gelungen: das Bild schlüpft vorbei an den Selektions- und Verdrängungsmechanismen der KonsumentInnen. Ohne jemals materiell geworden zu sein, existiert es doch. Zumindest ein Versuch, der allgemeinen Reizüberflutung und Abstumpfung etwas entgegenzusetzen. Martina Kretschmann

Die „bildo akademie“ veranstaltet am Samstag, 11.6., von 12 bis 20 Uhr einen „opendoorday“, Drontheimer Straße 21, Wedding (Kontakt zu Thomas Kutschker kann auch über „bildo“ aufgenommen werden: Telefon: 494 26 10).