FDP will Verfassungsschutz neu ordnen

■ Heute wird im Abgeordnetenhaus über einen FDP-Antrag auf Auflösung und Neugründung des Verfassungsschutzes entschieden / Interview mit Rolf-Peter Lange

taz: Herr Lange, geht es nach Ihrer Fraktion, soll das Abgeordnetenhaus heute darüber entscheiden, ob das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) aufgelöst und neu gegründet wird. Warum?

Rolf-Peter Lange: Wir haben diesen Antrag ja schon zu Beginn dieser Legislaturperiode Anfang 1991 eingebracht. Wie viele Kenner der Szene sind wir der festen Überzeugung, daß das Landesamt dadurch, daß es schon seit Mitte der achtziger Jahre Gegenstand öffentlicher Erörterung war, eine Institution geworden ist, die eigentlich nicht mehr effektiv und sinnvoll arbeiten kann.

Es geht also um mehr als die Mykonos-Affäre, die in Ihrem Antrag als Begründung genannt wird.

Ja, es geht auch um die Dinge davor, die Überwachung von Herrn Pätzold, die Durchstechereien zwischen CDU- und SPD- Mitgliedern, auch darum, daß Herr Pätzold da später ganz radikal das Führungspersonal ausgetauscht hat, bis hin zu Ereignissen wie dem Schmücker-Prozeß. Da muß jeder eigentlich einsehen, daß das Landesamt an Standing und Wirkung verloren hat. Diese Einschätzung hat übrigens auch das Kölner Bundesamt geteilt.

Warum denn Neugründung? Hat sich nicht spätestens nach dem Fall der Mauer die Arbeit des Berliner Verfassungsschutzes erübrigt?

Nein, jede westliche pluralistische Parteiendemokratie braucht Institutionen, die im Vorfeld Informationen, Daten, Fakten sammeln über Bestrebungen, die gegen die Grundlagen unserer freiheitlichen Demokratie gerichtet sind.

Schaut man sich die bislang einzige Broschüre zum Rechtsextremismus an, stellt man fest, daß das Landesamt vorwiegend auf linke Publikationen zurückgegriffen hat. Rechtfertigt das eine Behörde mit 300 Mitarbeitern?

In Sachen Rechtsextremismus war das Landesamt nach dem Fall der Mauer völlig unvorbereitet. Die haben da brav Zeitungsausschnitte gesammelt über die AL, die SEW und Nebenorganisationen, waren aber qualitativ nicht in der Lage, blitzschnell umzudenken. Das LfV war also den neuen Aufgabenstellungen in Berlin nicht gewachsen. Deshalb haben wir ja bereits damals gesagt, daß das Landesamt klein, aber fein neu gegründet werden muß.

Der damalige Antrag wurde abgelehnt.

Damals sollte ja noch das Boeden-Gutachten (Ex-Mitarbeiter des Kölner Bundesamts, d.Red.) abgewartet werden. Das liegt nun aber vor, und durch die Mykonos- Affäre ist endgültig klargeworden, daß das Landesamt mit einer direkten Anbindung an die Innenverwaltung und mit möglicherweise 60 bis 70 Prozent neuer Leute neu gegliedert werden muß.

Ist der Antrag nicht nur ein Vorstoß zur Profilierung der FDP als liberaler Oppositionspartei?

Im Mykonos-Untersuchungsausschuß ist deutlich geworden, daß der Innensenator seiner politischen Verantwortung nicht gerecht geworden ist. Da sind sich alle einig, die SPD, das Bündnis 90, auch die PDS und das Neue Forum, und wenn Sie CDU-Leute fragen, sagen die natürlich auch, daß das ein Skandal ist. Gerade weil aber eine bislang nachgeordnete Behörde wie das LfV schlecht unter Kontrolle zu bringen ist, muß sie direkt dem Innensenator unterstellt sein, um vom Parlament besser kontrolliert werden zu können. Interview: Uwe Rada