: „Zeter, zeter, ächz, ächz“ – gute Literatur eben
■ Dr. Erika Fuchs (87), seit 1951 Übersetzerin der Duck-Geschichten von Carl Barks, über Donald, Macht und Alltag
taz: Die deutsche Sprache ist von Ihren Übersetzungen mitgeprägt. Was blieb am meisten hängen?
Erika Fuchs: Ich glaube, es waren die Lautmalereien. Was in einem Prosatext lang und breit gehießen hätte: „Verzweifelt ging er im Zimmer im Kreise und überlegte sich, was zu tun sei“, das machte ich neben der Zeichnung von Dagobert mit zwei Worten: „Grübel, grübel“. So was wie „Flatter, flatter“, „Würg, würg“ ist, zu meinem großen Erstaunen übrigens, in die Alltagssprache eingegangen. Mir ist sogar glaubhaft versichert worden, daß ein Landtagsabgeordneter aus dem Plenarsaal ging und „zeter, zeter, ächz, ächz“ sagte. Der hatte sich eben mit guter Lektüre beschäftigt.
Auch viele Ihrer Reime wurden berühmt. Aber den bekanntesten – von Daniel Düsentrieb: „Dem Ingenieur ist nichts zu schwör“ – haben Sie doch von Ihrem Mann, einem Ingenieur, geklaut.
Das ist eine Legende. Mein Mann war Ingenieur, aber mit dem Spruch habe ich ihn immer aufgezogen, noch bevor ich übersetzte. Ein Ingenieur im Haus ist wirklich sehr angenehm.
Würden Sie eigentlich heute, nach Carl Barks, auch noch so viel Spaß an den Übersetzungen haben? Der Charakter der Figuren ist doch nicht mehr so wie früher.
Das würde ich wohl nicht mehr machen. Ich übersetze aber noch bislang unveröffentlichte alte Barks-Geschichten. Die neuen Geschichten sind auch textlich nicht mehr so originell. Barks hatte ja über 500 Folgen gezeichnet, Abenteuer, Märchen, Dinge aus dem realen Leben, natürlich ins Absurde gesteigert. Alles das gibt es eigentlich nicht mehr in dem Stil.
Was fehlt den heutigen Geschichten?
Ich kann das nicht so genau sagen. Weil mir das Sehen schwerfällt, lese ich nie ganze Geschichten. Es kommt mir alles nur flotter und moderner vor.
Nicht mehr so absurd?
Das Absurde fehlt ja den Deutschen sowieso. Engländer und Amerikaner sind damit viel vertrauter. Das merken Sie ja auch in den Kinderbüchern, die sind viel hintersinniger, können auch mit der Aufhebung sämtlicher Naturgesetze arbeiten. Eine Figur, wie Dagobert, der in seine Goldstücke springt, wie ein Seehund darin herumwühlt und es sich auf den Kopf prasseln läßt – wissen Sie, das ist ja alles gar nicht möglich. Sich so etwas auszudenken ist doch sehr interessant, aber so läuft das heute nicht mehr. Höchstens als Science fiction, aber das ist etwas völlig anderes.
An welche Geschichte erinnern Sie sich am liebsten?
Sehr schön finde ich den „Goldenen Helm“. Da wird gezeigt, daß jeder, der Macht hat, auch verrückt wird. Wer da immer den goldenen Helm hat, darf Kaiser von Amerika werden und wird prompt verrückt. Einmal bekommt ihn ein Kunsthistorikprofessor. Er will sofort verordnen, daß alle Bürger zweimal in der Woche ins Museum gehen. Das ist doch urkomisch. Bei so etwas habe ich mir immer eingebildet: Wenn man die Macht so veräppelt, wird keiner mehr darauf hereinfallen.
Im Original von Barks hieß es einmal: „Ich wohne an der nächsten Ecke.“ In Ihrer Übersetzung hieß es: „Ich wohne in der Ruffinistraße.“ Wie kommt diese Münchner Straße in den Text?
In der Straße wohnt einer meiner Söhne. Mich bitten oft Leute, daß ihr Name im Text vorkommt. Ich gehe da öfter drauf ein, das ist so ein geheimer Spaß von mir.
Alliterative Namen wie Donald oder Dagobert Duck, Gustav Gans, Schwindolar Schwan oder Micky Maus haben die beste Chance?
Ich würde es anders sagen: Wenn ein nicht alliterativer Name vorkommt, war dies zumeist einer meiner Bekannten. Sonst habe ich fast nur Vor- und Nachnamen erfunden, die beide mit denselben Buchstaben anfingen. Das ging ins Ohr.
Wie haben Sie den speziellen Duktus der Figuren entwickelt?
Da Donald nun sehr viel Unglück und ein lädiertes Selbstgefühl hat, lasse ich ihn etwas hochgestochen reden, manchmal auch poetisch. Das kam an. In seinem Anspruch, aber auch im Scheitern erkannte sich eben jeder wieder. Allerdings waren die Donald-Texte auch für Erwachsene gedacht, wobei es egal ist, wenn die Kinder nicht alles verstehen. Die lesen die Geschichten, weil sie eben spannend sind. Alliterationen verstehen Kinder auch. Sie merken, daß Sprache ganz amüsant sein kann. Wenn zum Beispiel eine Figur sagt: „Du trommelst einen Trupp der Kreuzstich-Klubs zusammen, ich komme dann mit einem Geschwader der Freundinnen feiner Filetarbeiten angeflitzt“, ist das vollkommen künstlich, so redet doch kein Mensch. Aber das amüsiert Erwachsene und Kinder.
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