75 Millionen Yen für ein Schloß geboten

■ Die Fassade des Stadtschlosses am Marx-Engels-Platz kommt unter den Hammer

Die gute Nachricht zuerst: Nach über einem Jahr verschwindet endlich die Fassade des Stadtschlosses am Marx-Engels-Platz! Die schlechte Nachricht: Durch den Verkauf der barocken Kunststoffteile sollen nicht nur die Kosten für die Ausstellung und Öffentlichkeitsarbeit des „Fördervereins Berliner Stadtschloß“ gedeckt werden, mit den Überschüssen soll auch der Grundstock zum Wiederaufbau des Hohenzollernschlosses gelegt werden.

Der geistige Vater des Luftschlosses und Vorsitzender des Fördervereins, Wilhelm von Boddien, wird die Plastikplanen aber nicht etwa sang- und klanglos einpacken und in der Garage in seinem Wohnort Bargteheide lagern. Kein geringeres Aktionshaus als Sotheby's schwingt morgen um 16 Uhr im Palais am Festungsgraben – schloßhörig ohne jegliches Aufgeld – den Hammer. Die Sotheby's- Direktorin für Norddeutschland mit dem wohlklingenden Namen Isabella von Bethmann-Hollweg, sprach gestern von einem „kolossal lebhaften Vorverkauf“. Ein Großteil der zwanzig Einzelfenster (Festpreis 1.200 Mark plus 3.000 beziehungsweise 2.000 Mark steuerlich abzugsfähige Spende) und Fassadenteile (schlappe 99 Mark plus 300 Mark Spende), die sich von der Größe her durchaus als luxuriöse Verkleidung für marode Balkone eignen würden, wurden bereits verkauft. Von Bethmann- Hollweg konnte unter den Vorkäufern dann auch eine „ganze Reihe“ aus den neuen Ländern und Ostberlin ausmachen! Wer schon immer etwas adligen Glanz in seine schäbige Hütte bringen wollte, kann für 100 Mark ein Schloßposter mit einem popligen Stück Fassade kaufen. Selbstredend kommen diese Erlöse vollständig dem Förderverein zugute.

Bei der morgigen Versteigerung geht es dann um die großen königlichen Brocken: neben halben Fensterachsen aus Attika, Mezzaninfenster und Paradegeschoßfenstern oder Fenstern mit Sockel und Wandteilen (2.400 Märker je Einheit) werden angehende Schloßherren für die drei Schloßportale gesucht (mehr als 30 Meter hoch!). Dem verarmten Adel seien die Portale am Lustgarten und Schloßplatz empfohlen (Mindestgebot 12.500 Märker). Wer noch Tafelsilber zum Verscherbeln hat, sollte sein präadliges Auge auf das Spreekanal-Portal für ein Mindestgebot von 20.000 Märkern werfen.

Bei den ausländischen Schloßfetischisten, wen wundert's, mischen die Japaner kräftig mit. Ein Interessent signalisierte bereits das hoheitliche Interesse, die Fassade en bloc zu kaufen. Dieser Wunsch nach europäischer Kunst würde ihn 75 Millionen Yen kosten, was der schlappen Summe von 1,2 Millionen Mark entspricht.

Allen Schloßhassern ein Trost zum Schluß: Sollte das Hohenzollernschloß doch nicht wiederaufgebaut werden, kommt das überschüssige Geld aus der Aktion der kürzlich gegründeten Stiftung Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg zugute. wahn