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Germanistik-Paradies mit begrenztem Zugang

■ Musterstudiengang soll zeigen, daß ein Studium in neun Semestern zu schaffen ist

Wenn die Hochschulen ins Gerede kommen und der Konkurrenzdruck größer wird, dann muß etwas geschehen. Ein Professor des wegen seiner bundesweit längsten Studienzeiten oft gescholtenen germanistischen Fachbereichs an der FU Berlin hat sich daher etwas einfallen lassen. Ab dem kommenden Wintersemester wird es neben dem „normalen“ Magisterstudiengang nun auch für einige Auserwählte den „Zielstudiengang Magister“ geben.

Dafür haben sich drei Professoren zusammengefunden, die dieses Projekt in den nächsten fünf Semestern durchführen werden. Teilnehmen dürfen daran 45 Vollzeit- Studierende, und zwar diejenigen, die Neuere Deutsche Literatur als erstes Hauptfach haben, sich im dritten bis fünften Fachsemester befinden, die Zwischenprüfung absolviert haben und beabsichtigen, ihren Magister an der FU zu machen. Daß dabei gerade die Problemfälle an der FU, die Langzeitstudierenden (im Sommersemester 1992 waren das immerhin 28,9 Prozent), außen vor bleiben, wurde in Kauf genommen.

Werden die Interessierten aufgenommen, dann steht ihnen ein Programm bevor, dessen „tragende Aspekte „Flexibilität“, „Planbarkeit“ und ein „gesichertes Lehrangebot“ sind. Wohl wichtigstes Standbein des Projektes ist die intensive Betreuung der Studierenden, denn jeder der drei beteiligten Professoren wird sich für 15 Studierende als Mentor verantwortlich fühlen. Paradiesische Zustände, wenn man bedenkt, daß den etwa 4.000 Studierenden, die ein Fach der deutschen Philologien als erstes Fach gewählt haben, tatsächlich nur knapp 40 voll prüfungsberechtigte ProfessorInnen und etwa 30 teilweise prüfungsberechtigte Privatdozentinnen gegenüberstehen – die etwa 4.000 Zweit- und Drittfachstudierenden gar nicht mitgerechnet.

Welches „gesicherte Lehrangebot“ die Teilnehmenden genau erwartet, können die Interessenten dem demnächst erscheinenden Kommentierten Vorlesungsverzeichnis entnehmen, das neben dem Lehrangebot für das kommende Wintersemester und der obligatorischen Vorschau auf das folgende Sommersemester nun für diesen Studiengang auch die Veranstaltungen für die nächsten fünf Semester bekanntgibt. Da läßt sich leicht planen. Insbesondere, da die entsprechenden Seminare auf 50 Teilnehmende beschränkt sind und die „Zielstudierenden“ bei der Teilnehmerauswahl Vorrang haben werden. Und falls in den kommenden Semestern auch von anderen Dozenten zum Thema passende Lehrveranstaltungen angeboten werden, sollten die Studierenden so flexibel sein, diese in ihren Stundenplan auch mitaufzunehmen.

Geboten werden den Teilnehmenden fast ausschließlich literaturgeschichtliche Seminare und Vorlesungen, die sich auf gern Gelesenes aus der Zeit nach 1900 konzentrieren und ein wenig, aber nicht zu weit, über den Tellerrand schauen. Und sich damit innerhalb der Grenzen bewegen, die hinter vorgehaltener Hand schon mal als Kanon des Fachs bezeichnet werden. Denn von theorieorientierten Seminaren will zur Zeit sowieso kaum jemand etwas wissen. Das Modell kommt hingegen, glaubt man der Fachbereichsleitung, den Wünschen der Studierenden nach mehr Orientierung und mehr Anleitung sehr entgegen.

Die einzige Frage, die noch bleibt angesichts solcher Initiativen, ist die nach der Ausweitung eines solchen Versuchs auf den gesamten Fachbereich, ja vielleicht gar auf die ganze Universität, wird doch der Zentralen Universitätsverwaltung das Modell vom Initiator als „nachahmenswert für alle Fachbereiche“ angepriesen. Doch das Modell „für alle Fachbereiche“ taugt nicht einmal für den germanistischen Fachbereich. Im selben Schreiben wird nämlich klargestellt, daß das Projekt „keinen übertragbaren Modellcharakter“ hat. Denn aufgrund der großen Studierendenzahlen ist eine Betreuung nach dem hier zugrunde gelegten Mentorenmodell für die ProfessorInnen nicht leistbar. Das eigentliche Ziel dieses „Zielstudiengangs“ ist es, so die offizielle Stellungnahme, herauszufinden, ob es an der FU nicht vielleicht doch möglich ist, den Magisterabschluß in der Regelstudienzeit von neun Semestern zu erreichen.

Gelingt es dem Fachbereich nun wirklich, nachzuweisen, daß das Studium in neun Semestern zu schaffen ist, dann ist die FU-Germanistik aus dem Schneider. Denn, so könnte gefolgert werden, wenn sie wirklich wollen, schaffen die Studierenden den Magister in neun Semestern. Und schließlich, so Dekan Professor Gerhard Spellerberg, ist es den ProfessorInnen nicht zu verdenken, wenn sie „diejenigen, die intensiver und zielgerichteter studieren, lieber und intensiver betreuen“ als andere. „Und diejenigen, die – aus welchen Gründen auch immer – länger studieren möchten, können das tun.“ Clemens Bürger

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