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In Notwehr in den Rücken geschossen

■ Weitere Entlastungsmomente im Prozeß gegen mutmaßliche Hooligans

„Ich wollte ja gar nicht schießen“, will der 35jährige Disco-Betreiber Michael B. zu den Polizisten gesagt haben, bevor er die Browning gesichert und mit dem Griff voran den Beamten aushändigte.

Laut Polizeiprotokoll mußten diese ihm allerdings die Waffe mit einem Gummiknüppel aus der Hand schlagen. Das ist nicht die einzige Ungereimtheit im Prozeß gegen elf Jugendliche, die im vergangenen Jahr in einer Storkower Disco eine Massenschlägerei angezettelt haben sollen.

Gestern schilderte der Liebhaber großkalibriger Schußwaffen den angeblichen Überfall aus seiner Sicht. Er habe in einem der Discobesucher den Jugendlichen wiedererkannt, der einen Monat zuvor eine Auseinandersetzung mit seinem Türsteher hatte. Der junge Mann soll mit der Faust ins Gesicht geschlagen worden sein und daraufhin üble Verwünschungen ausgestoßen haben. „Ostschweine“ und „Wir kommen wieder und fackeln deine Bude ab“, soll er dem Wirt angedroht haben. Als Michael B. diesen Mann nun wiedererkannte, habe er seine Türsteher mit Elektroschockgeräten und sich selbst mit der Pistole bewaffnet, weil er Ärger erwartete. Kurz darauf sei es zu einer Schlägerei zwischen ihm und vier der Ostberliner Gäste gekommen, in deren Verlauf ihm ein Bierkrug auf dem Kopf zerschlagen wurde. Daraufhin habe er sämtliche Gäste mit vorgehaltener Waffe aus der Discothek getrieben. Vor der Tür sei er dann weiterhin attackiert worden und habe in Notwehr schießen müssen. Die Angeklagten seien mit Eisenstangen und Sonnenschirmen bewaffnet gewesen und ungeachtet seiner Schußwaffe auf ihn losgegangen. Die ersten Schüsse habe er auf zwei Randalierer abgeben müssen, die seinen Kompagnon mit einer Bank erschlagen wollten.

Dieser Aussage widersprach gestern ein Zeuge. Ein zwanzigjähriger Koch aus Storkow, der bei den Ereignissen selbst verletzt worden ist und wochenlang mit einer gebrochenen Wirbelsäule im Krankenhaus liegen mußte, sagte aus, erst nach den Schüssen sei es zur Schlägerei gekommen. Diese Version entspricht auch den, in der bisherigen Verhandlung gemachten Aussagen der elf Angeklagten. Die wollen sich teilweise erst in Storkow kennengelernt haben und bestreiten jede Verabredung zu einer Straftat. Gegen eine Notwehr des Wirtes spricht auch, daß zwei Jugendliche von hinten, andere mehr als zwanzig Meter weit vom Eingang der Discothek entfernt angeschossen worden sind. Dabei hatte Michael B. geltend gemacht, daß er dort von den Ostberlinern eingekreist und attackiert worden war.

Offensichtlich geht inzwischen auch der Richter von einer geminderten Schuld aus: Auf Antrag der Verteidiger wurde die polizeiliche Meldepflicht der beschuldigten Jugendlichen für die Dauer der Hauptverhandlung aufgehoben.

Der Prozeß wird voraussichtlich am 14.Juni fortgesetzt. Peter Lerch

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