: Zwischen Konkurrenz und Staatsauftrag
■ Anders als die Gewerkschaften sind die Postunternehmen mit der geplanten Reform glücklich: endlich freier Markt!
Am 1. Januar 1995 sollen sich, wenn alles nach Plan geht, transusige Behörden in schlagkräftige Unternehmen verwandeln. Mit der Postreform II sollen Telekom, Postdienst und Postbank in Aktiengesellschaften umgewandelt werden. Vor vier Jahren erst war die Post in drei unabhängige Unternehmensbereiche aufgeteilt worden. Die privatisierte Post- Troika soll zunächst unter einer öffentlichen Holding stehen; nach fünf Jahren dann soll der Bund seine Mehrheit aufgeben können.
Anders als bei der Gewerkschaft sieht man sowohl im Postministerium als auch in den Postunternehmen die Reform positiv. Auch der Sprecher des Verbandes der Postbenutzer, Wilhelm Hübner, meint, daß sich für den Verbraucher eigentlich nur Verbesserungen ergeben könnten. Der Staatsbetrieb habe seine Kunden geschröpft; große Unternehmen, die es sich leisten konnten, hätten ihre Netzknoten einfach ins Ausland verlegt, um der deutschen Telekom zu entkommen.
Aber auch bei der Telekom freut man sich über die Privatisierung. Von dem satten Gewinn von 7,6 Milliarden Mark im letzten Jahr mußte das Telefonunternehmen praktisch alles an den Bund abführen und Verluste des Brief- und Paketdienstes ausgleichen. Das wird sich durch die Privatisierung ändern. Das Fernmeldeunternehmen wird so mehr investieren und sich auch international engagieren können – unabdingbar, um im weltweiten Wettbewerb überleben zu können. Das Monopol für die Sprachübermittlung fällt, so hat es die EU beschlossen, ohnehin 1997. Das Ende des Fernmeldenetz- und des Briefmonopols wird in Brüssel auch schon heftig diskutiert.
Obwohl künftig die Quersubventionierung der drei Postunternehmen untereinander wegfällt, sieht man selbst beim defizitären Postdienst der Reform optimistisch entgegen. Denn dann müssen die Postunternehmen nicht länger unabhängig vom Gewinn zehn Prozent des Umsatzes an den Bund abführen. Schon nächstes Jahr will die gelbe Post schwarze Zahlen schreiben – nicht durch Gebührenerhöhungen, sondern durch Einsparungen, etwa indem kleine, unrentable Postämter geschlossen werden und mit neuen Brief- und Frachtzentren die Logistik verbessert wird.
Der Sprecher des Postministeriums, Christian Hoppe, ist sicher, daß sich für die Kunden nichts verschlechtert. Der Infrastrukturauftrag der Post bleibt erhalten, so daß eine flächendeckende Versorgung und eine einheitliche Tarifstruktur gewährleistet ist. Auch private Anbieter von Fernmelde- und Briefdiensten werden gezwungen, Hintertupfingen genauso wie die Frankfurter City zu versorgen. Eine Aufsichtsbehörde soll dafür sorgen, daß sich die Privaten nicht nur die Rosinen aus dem Kuchen picken.
Allerdings hält Hoppe es durchaus für wahrscheinlich, daß in Zukunft ein Kunde auf Husum deutlich mehr für einen Telefonanschluß zahlen muß als ein Großstadtbewohner. Aber insgesamt sei durch Wettbewerb eher mit sinkenden Preisen zu rechnen, sind sich Postministerium und Verband der Postbenutzer einig. Das hätten die Bereiche gezeigt, in denen bereits Konkurrenz herrscht, also der Mobilfunk und der Frachtdienst. Nicola Liebert
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