Kommentar: National-Wahl
■ Mißbrauch der Wahl als Testmarkt
Am Sonntag ist also nun die Wahl zum europäischen Parlament. Die CDU hat diesmal die klassische SPD-Parole vom „Frieden...“ aufgegriffen, die SPD hat klassische CDU-Wahlpropaganda gemacht („Sicherheit statt Angst“). Beide großen Parteien haben nationale Emotionen gepuscht, als wären sie im Grunde gegen das vereinte Europa: die einen mit „Deutsche Interessen besser vertreten“ und die anderen mit „Deutschland zuliebe“. Nach dieser unerträglich bornierten und für die SPD erstaunlich reaktionären Kampagne darf man es im Grunde den europäischen Nachbarn nicht antun, diesen beiden Parteien durch eine Stimmabgabe zu stärken.
Natürlich haben die Parolen auf den Plakaten nichts mit der Europa-Politik zu tun. Aber hat es einmal eine Rolle gespielt, daß diese Partei im Europa-Parlament soundsoviel und jene soundsoviel Stimmen hat? Das loben Abgeordnete ab und an nur, daß „die Deutschen“ über alle Parteigrenzen hinweg zusammenhalten.
SPD und CDU nutzen die Gelegenheit als Testmarkt, um kostenlos ihre Herbstkollektionen zu präsentieren: Kohl, der dicke alte, Deutschland zuliebe, und Scharping, der junge Schnauzer, auch für Leute wählbar, die bei Europa vor allem ansprechend finden, daß man deutsche Interessen gut vertreten muß. Sie mißbrauchen die Wahl zum europäischen Parlament.
Klaus Wolschner
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