Gefährden Blauhelme die Neutralität?

■ Die SchweizerInnen stimmen über eine Beteiligung an „friedenserhaltenden Einsätzen“ ab / Das politische Establishment ist dafür, das rechte Lager dagegen

Genf/Berlin (epd/wsp) – Die SchweizerInnen gegen den europäischen Hauptstrom: Während rundum Urnengänge über die EU laufen, stimmen sie an diesem Wochenende über eine künftige Beteiligung an Blauhelmeinsätzen ab. Regierung und Parlament in Bern haben ihnen bereits vor Jahresfrist das „Ja“ empfohlen. Alle großen Parteien – von den Bürgerlichen über die SozialdemokratInnen bis hin zu den Grünen – sowie die Gewerkschaften und Kirchen beteiligten sich in den vergangenen Wochen an der Kampagne für „friedenserhaltende Einsätze“. Die GegnerInnen, die vor allem aus dem rechten Lager kommen, führen die Neutralität ins Feld. Die Bereitstellung von Blauhelmen sei ein UNO-Beitritt „durch die Hintertür“, argumentieren sie, und das widerspreche dem Willen des Volkes, das sich schließlich erst 1986 in einem Referendum dagegen ausgesprochen habe.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht vor, daß die Schweiz rund 600 Blauhelme stellt, die ausdrücklich nicht an Kampfeinsätzen wie denen in Somalia oder Kuwait/Irak teilnehmen sollen, sondern nur an friedenserhaltenden Einsätzen, wie dem in Zypern. Für Soldaten wäre die Beteiligung freiwillig. Das Land würde über jeden Einsatz extra entscheiden und maximal 100 Millionen Franken (rund 120 Millionen Mark) pro Jahr dafür ausgeben. „Wir wollen keine Rambos“, betonte Verteidigungsminister Kasper Villiger letzte Woche, „sondern Friedenssoldaten.“

Vor allem patriotische und rechte Parteien – von der „Schweizer Volkspartei“ über die „Freiheitspartei“ (früher Autopartei) und die „Schweizer Demokraten“ bis hin zur „Tessiner Lega“ – rührten die Werbetrommel für das „Nein“. „Einmischung in fremde Händel?“ fragen sie auf einem Plakat, mit dem das ganze Land bepflastert ist. Die Folgen zeigen sie so: Ein Grabstein liegt im Wüstensand, dahinter stehen fünf Kreuze. Die Retter der schweizer Identität, die 1992 bereits den Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum verhindert haben, preisen sich als Friedensfreunde an. Dabei kämpften sie noch kürzlich für den Kauf neuer Kampfflugzeuge.

Galionsfigur der Blauhelm- Gegner ist der Abgeordnete der Schweizerischen Volkspartei SVP und Chemieunternehmer Christoph Blocher. Er wirft der Regierung „Großmachtpolitik“ vor. Er zieht die Parallele von Blauhelmeinsätzen zur Fremdenlegion. Söldnerdienst ist Schweizern aber verboten. In den Augen Blochers war keine der 33 UNO-Aktionen seit 1948 erfolgreich. Dagegen verweisen die Befürworter auf die wenige Wochen alten Fernsehbilder, wo belgische Blauhelme Schweizer Bürger aus Ruanda retteten.

Außenminister Flavio Cotti verweist dagegen auf die Beteiligung von neutralen Staaten wie Finnland, Österreich und Schweden an Blauhelmeinsätzen. Auch Schweizer sind mit unbewaffneten Blauhelmen und Sanitätseinheiten längst beteiligt. So überwachen seit 1953 Schweizer Offiziere den Waffenstillstand in Korea.

Prognosen über den Ausgang des Referendums sind kaum möglich. Zwar zeichnete sich in den vergangenen Tagen eine Mehrheit für ein „Ja“ ab. Doch haben sich die SchweizerInnen bisher regelmäßig für eine Aufrechterhaltung ihres Distanzverhältnisses zum Rest der Welt entschieden. Zuletzt geschah das 1992, als eine Mehrheit gegen den Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) stimmte, den die Regierung wollte.