"Mein Geld liegt im Regal!"

■ Gesichter der Großstadt: Er ist der Besitzer von über einer Million "Verschlußmittel" und heißt auch noch wie sie: Paul Knopf / Nur durch Zufall bestimmt der Knopf sein Leben

Die Frau will „was Witziges, Gemischtes, nicht so Langweiliges“. Man behandelt sie daraufhin wie einen Staatsgast, was sie ziemlich perplex macht.

Eine passende Kollektion von Knöpfen sucht die Frau für ihr feuerrotes Jackett, das sie sich selbst genäht hat – und dann dieser Verkäufer! „Ich nähe seit zehn Jahren, und noch nie habe ich so wissenschaftlich über Knöpfe und Knopflöcher geredet und nachgedacht.“ Das soll kein Vorwurf sein, sondern Lob. Echt gemeintes. Es gilt Paul Knopf.

Das Licht der Welt erblickte er in Berlin vor 36 Jahren als Ralf Heimann. Inzwischen aber hat auch das Einwohnermeldeamt ein Einsehen gehabt – und die Eintragungen „Knopf“ und „Paul“ in seinem Personalausweis genehmigt.

Eigentlich müßte darin – und über seinem Laden in der Zossener Straße – „Knöppe“ stehen. Denn wenn Paul Knopf vom „Verschlußmittel v.a. der Kleidung“ (Meyers Großes Taschenlexikon) spricht, dann nur in dieser verniedlichenden Form. Nach über einer halben Stunde und nachdem Paul Knopf ihr mindestens dreißig Vorschläge gemacht hat, wird die Frau mit dem knopflosen Jackett fündig: „Ja, die sind's!“ freut sie sich. Drei graugrüne Perlmuttscheiben, zusammen kosten sie neun Mark.

Wäre Paul Knopf ein tüchtiger Geschäftsmann, das heißt einer, bei dem In- und Output im gewinnträchtigen Verhältnis zueinander stehen, hätte er den Laden längst dichtmachen müssen. Aber er will ja nicht reich werden, höchstens „reich an Erfahrung“, wie er sagt. Und schließlich ist jemand auch reich, der über eine Million Knöpfe besitzt und somit bundesweit das größte Sortiment.

Der billigste ist für 0,04 DM zu haben, der zur Zeit teuerste, ein goldgrün schimmernder Korall, kostet 56 Mark. „Seit gestern“ ist Pauls Lieblingsknopf einer aus Hartholz, in der Mitte Perlmutt, am Rand eingefräst. Morgen kann es schon wieder ein anderer sein: „Der fasziniert mich eben im Moment.“

„Andere Leute haben ihr Geld auf der Bank. Ich habe meines im Regal“, konstatiert Knopf. Und er meint nicht nur jene Verschlußmittel, er meint auch die Werkzeuge, mit denen er Knöpfe à la carte und auf Extrawunsch herstellt. Denn eigentlich ist Paul Knopf zuallererst Bastler.

Auf Werbung für seinen Laden verzichtet Paul Knopf schon immer; die Mundpropaganda besorgt sein Geschäft. Für Modemacherinnen und Designer, Kostümverleiher und Opernschneiderinnen ist der Gang in den schlichten Verkaufsraum zum unverzichtbaren Bestandteil ihrer Entwürfe geworden. Stundenlang in Knopfkisten wühlen, den Blick über Schachtelberge schweifen lassen, Gespräche führen über: woraus, wie groß, wie bunt.

Gerade Theatermenschen sind Paul Knopf dankbar, denn die Hälfte seines Angebots besteht aus alten bis uralten Beständen: für Inszenierungen mit historischen Kostümen ein Dorado.

Nur durch Zufall, sagt Paul, der „fast“ alle seine Kunden duzt, bestimmt der Knopf sein Leben.

Nach der Schule wurde in seiner Nachbarschaft ein Knopfladen samt Bestand aufgelöst. Und weil er ohnehin nicht so recht wußte, wovon – und womit – er leben sollte, übernahm er das Geschäft.

Wenn man über fünfzehn Jahre mit Knöpfen verquickt ist, bleibt es – erstens – nicht aus, daß man zuweilen auch von ihnen träumt und man – zweitens – auch eine entsprechende Philosophie entwickelt. Völlig out etwa sind in diesem Jahr Zickzackformen, ebenso dreieckige und quadratische. Viele von Knopfs Kundinnen und Kunden ächten mittlerweile Knöpfe aus Plastik und verlangen statt dessen „was Natürliches“: Aus Kokosnuß, Steinnuß oder Horn sollen sie sein, rund oder mit Leinen bespannt.

Auch wenn Sie es nicht wahrhaben wollen: Paul Knopf weiß, daß „Klamotten wegen ihrer Knöppfe gekauft werden“, denn: „Knöppe sind die Augen der Klamotten.“ Und wenn Ihnen an einem Kleid oder an einer Hose etwas nicht gefällt, dann „sind es die Knöppe, die einem unbewußt signalisieren: Da stimmt etwas nicht.“ Nachschub für seine Frühjahr-/Sommer- und Herbst-/Winter-Kollektion ordert Paul Knopf bei drei Fabriken, mit denen er schon seit Jahren zusammenarbeitet. Und wenn jemand einen ganz bestimmen Knopf im Kopf und Paul ihn aber nicht auf Lager hat, malt er ihn auf ein weißes Blatt Papier und faxt die Zeichnung an die Firmen. So spart er Zeit. Und Geld. Denn weil er darin eben nicht schwimmt, ist Paul Knopfs großer Wunsch bis heute einer geblieben: einmal zur Knopfmesse nach Piacenza, Norditalien. Thorsten Schmitz