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Zwei Präsidenten in Nigeria

■ Zum ersten Jahrestag der annullierten Wahlen erklärt sich der verhinderte Wahlsieger Abiola zum Staatschef / General Abacha jedoch ignoriert den Vorstoß / Opposition ruft zu zivilem Ungehorsam auf

Lagos (AFP) – Der Machtkampf in Nigeria zwischen der Militärregierung unter General Sani Abacha und der Opposition hat sich weiter verschärft: Moshood Abiola, der bei den vom Militär annullierten Präsidentschaftswahlen im vergangenen Jahr inoffizieller Sieger wurde, rief sich am Samstag abend in Lagos zum neuen „Präsidenten und Oberkommandierenden der Streitkräfte“ aus. Vor rund 3.000 Menschen im Zentrum der nigerianischen Hauptstadt forderte er Juntachef Abacha zum Rücktritt auf und erklärte die von ihm eingesetzten Institutionen für illegitim und aufgelöst. Er sei zu Verhandlungen mit der Militärführung bereit, um eine „ruhige Machtübergabe“ zu ermöglichen.

General Abacha jedoch ignorierte den Vorstoß seines Widersachers. Zum ersten Jahrestag der Wahlen vom 12.6.1993 sprach er von seiner „Entschlossenheit“, weiterhin für eine „dauerhafte Demokratie“ in Nigeria einzutreten. Abacha warnte in seiner öffentlich übertragenen Rede lediglich, jene, die sich für die Konfrontation mit der Regierung entschieden hätten, müßten „die Konsequenzen tragen“. Er sprach von „einigen egoistischen Individuen“, deren einziges Ziel die Destabilisierung Nigerias sei. Die Armee habe sich im vergangenen Jahr zum Eingreifen in die politische Krise entschlossen, um das Land „vor Zerfall und Chaos“ zu bewahren.

Abiolas Wohnhaus in Lagos war am Samstag morgen noch mit einer Hundertschaft schwerbewaffneter Polizisten umstellt worden, um die angekündigte Ausrufung der Gegenregierung zu verhindern. Der Oppositionsführer konnte jedoch entwischen. Die Opposition rief dazu auf, ab heute eine Woche des „zivilen Ungehorsams“ gegen die Behörden zu befolgen.

Den Auftakt der Aktionswoche sollte am Sonntag eine Messe in der Kathedrale von Lagos bilden, zelebriert vom anglikanischen Erzbischof Abiodun Adetiloye, der sich bereits mehrfach für einen Rücktritt Abachas aussprach, um in Nigeria eine „Tragödie wie in Ruanda zu verhindern“. Wenige Tage nach den Präsidentschaftswahlen hatte der Oberste Gerichtshof Nigerias die Bekanntgabe der Wahlergebnisse verboten, nachdem inoffiziell bekanntgewordene Teilresultate eine deutliche Mehrheit für den moslemischen Multimillionär Abiola gezeigt hatten. Die Militärführung unter dem damaligen Präsidenten Ibrahim Babangida hatte dann die nationale Wahlkommission aufgelöst und den Urnengang damit faktisch annulliert. Abacha hatte im November den zivilen Chef einer von der Opposition boykottierten Übergangsregierung an der Spitze Nigerias abgelöst.

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