: Dunkle Hinterhöfe, feuchte Keller
■ 100 Jahre Eimsbüttel: Ausstellung im Hamburg-Haus
Eimsbüttel hat 100. Geburtstag! Die heute beliebte Wohngegend wurde im Juli 1894 mit 14 weiteren Vororten - darunter Eppendorf, Winterhude, Hamm, Horn und Billwerder - eingemeindet. Die Geschichtswerkstatt Eimsbüttel in der Galerie Morgenland zeigt zum Geburtstag die Ausstellung Eimsbüttel 1894-1994 mit Geschichten und Geschichte aus Hamburgs größtem Stadtteil im Hamburg-Haus am Doormannsweg. An Fotos, Plänen, Texten und dem Modell eines typischen Eimsbütteler Hauses mit Vorder- und Hinterhaus läßt sich hier die Entwicklung des Stadtteils, der heute gut 60.000 Einwohner zählt, verfolgen. Stadtteilrundgänge geben zudem Gelegenheit, die Geschichte der eigenen Wohnumgebung zu vertiefen.
Schwerpunkte der Ausstellung sind die Themen Bauen und Wohnen, Grünflächen, das Schulwesen und die im Laufe des Jahrhunderts im Stadtteil beieinander lebenden sozialen Milieus. Sozialdemokraten und Kommunisten prägten den Mythos vom „roten Stadtteil“, in dem allerdings auch Antisemitismus verbreitet war. Vor 100 Jahren war hier durch planlose Baupolitik eine Ansammlung dunkler Hinterhöfe und feuchter Kellerwohnungen entstanden. War Eimsbüttel um 1810 noch ein Dorf mit rund 360 Einwohnern, wohnten hier 80 Jahre später bereits gut 50.000 Menschen. Daß es in dem engbesiedelten Stadtteil Grünflächen brauchte, wurde in der Planung vernachlässigt. Der Isebek-Kanal wurde zum „Schmerzenskind“ der Eimsbüttler, ungeklärte Abwassereinleitungen verbreiteten einen herben Gestank. Erst seit 1988 wird die schwer verschmutzte Isebek durch eine Sauerstoffanreicherungsanlage sozusagen künstlich beatmet. Die Geschichtswerkstättler behandeln Historie nicht wie ein Buch, das man durchliest und zuklappt und stellen in ihrer Betrachtung stets Bezüge zur Gegenwart her. Die Darstellung der Entwicklung des Schulwesens reicht von der ersten „privaten Armenschule“ Eimsbüttels, die 1693 gegründet wurde, über den Schulalltag in der Nazizeit bis zur Gegenwart, zu der schulische Aktivitäten gegen rechtsextreme Strömungen thematisiert werden. Die Geschichte wird so in die Gegenwart eingebunden, die Gegenwart durch Geschichte begreifbar, Veränderungen nachvollziehbar und Ansätze, wie sich das Leben im Stadtteil verbessern ließe, klarer. Simone Ohliger
100 Jahre Eimsbüttel, Hamburg-Haus, Doormannsweg 12, 7.-30. Juni, Mo-Sa: 10-22 Uhr, So: 14-21 Uhr; Katalog „Eimsbütteler Facetten“, 112 Seiten, 15 Mark
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