: Berlin fliegt aus der Tarifgemeinschaft
■ Einstimmiger Beschluß / Reaktion auf Lohnangleichung für Ostbeschäftigte
Wochenlang angedroht, nunmehr vollzogen: Seit gestern ist der Ausschluß Berlins aus der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) ein Fakt. Mit einem einstimmigen Votum – nur Berlin war dagegen – zog der Arbeitgeberverband die Konsequenzen aus dem Alleingang des Senats, über eine Stufenregelung bis zum Oktober 1996 die Löhne der 118.000 Beschäftigten im öffentlichen Dienst von Ostberlin an das Westniveau anzugleichen. Das Verhalten des Senats sei „grob verbandswidrig und verbandsschädigend“, begründete der nordrhein-westfälische Finanzminister Heinz Schleußer (SPD) die Entscheidung der TdL.
Der keineswegs überraschende Rausschmiß, dem in der vergangenen Woche bereits der Ausschluß aus dem Verband der Kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) vorausgegangen war, schweißte gestern die Berliner Politik zusammen. Einmütig wie selten in der Vergangenheit verurteilten Regierung und Opposition den Beschluß der TdL: „Übereilt und unausgegoren“ nannte ihn der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU), „vorschnell und unbedacht“ der SPD-Landesvorsitzende Ditmar Staffelt, eine „bornierte Überreaktion“ der Abgeordnete Raimund Helms vom Bündnis 90/Die Grünen. Nur die FDP tanzte aus der Reihe und warf dem Senat gestern erneut unverantwortliches Handeln vor.
Die von Berlin vorgesehene Lohnanhebung, die weit über den im Frühjahr geschlossenen Bundestarifvertrag im öffentlichen Dienst hinausgeht, soll am 23. Juni in zweiter Lesung im Abgeordnetenhaus behandelt werden. Bis auf die FDP haben bislang alle Parteien signalisiert, das „Gesetz zur Angleichung der Einkommensverhältnisse im öffentlichen Dienst Berlins“ mitzutragen.
Der Ausschluß aus dem VKA und der TdL hat zunächst keine unmittelbaren Folgen für Berlin. Künftige Lohn- und Tarifverhandlungen müssen nun zwischen dem Senat und Berlin regional geführt werden. Der von der TdL ins Gespräch gebrachte Ausschluß Berlins aus der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL), über die Zusatzrenten an ehemalige Westbeschäftigte im öffentlichen Dienst ausgezahlt werden, ist rechtlich höchst umstritten. Bei der VBL ist ein Ausschluß, der den Berliner Haushalt zwischen 20 und 30 Milliarden Mark kosten könnte, bislang kein Thema gewesen. sev
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