Die Abrißwut unterbrechen

■ Initiative aus renommierten Architekten und Planern wendet sich gegen den Abriß des Staatsratsgebäudes auf der Spreeinsel / Nutzung als Ausstellungsort gefordert

„Es geht einfach darum, den Abrißbefürwortern des Staatsratsgebäudes endlich die gelbe Karte zu zeigen“, sagt die Planerin Simone Hain. Bei dem Gebäude am Marx-Engels-Platz „handelt es sich schließlich um ein gesetzlich eingetragenes Baudenkmal“, dessen erwogene Abräumung einer Bilderstürmerei gleichkomme. Den Überlegungen, dort den Kopfbau des neuen Auswärtigen Amtes errichten zu wollen, hält Hain entgegen, daß es viel wichtiger sei, „die Berliner Mitte einer öffentlichen Nutzung zugänglich zu machen“. Ein Bundesaußenministerium gewährleiste dies nicht, sondern setze die Traditionen „des unzugänglichen Regierungsbaus für den Staatsrat“ fort.

Simone Hain gehört zu den rund 80 Mitunterzeichnern eines offenen Briefes gegen den Abriß des Staatsratsgebäudes, dem zahlreiche Architekten und Stadtplaner, renommierte Kunsthistoriker und Soziologen mit ihrer Unterschrift Nachdruck verliehen haben. Den Protestbrief führt der Berliner Architekt Frank Augustin an. Ihm folgen der Planer Rainer Ernst, Vorsitzender des Berliner Werkbundes, und der Architekt Bruno Flierl. Unterzeichner sind auch der Präsident der Berliner Architektenkammer, Cornelius Hertling, die Architekten Urs Kohlbrenner, Julius Posener und Lothar Juckel, Wilfried Nerdinger, München, sowie Goerd Peschken und Martin Warnke aus Hamburg.

Die Initiative wendet sich gegen die „Abrißwut“ (Lothar Juckel), weil die Forderung nach der städtebaulichen Wiederherstellung des Stadtgrundrisses an Ort und Stelle nur ein Scheinargument sei. Zwar versperre das Staatsratsgebäude den Nordabschnitt der historischen Brüderstraße, räumt die Initiative ein. Bei der Wiederherstellung des Stadtgrundrisses und einem Neubau des Auswärtigen Amtes würde diese Straße aus Sicherheitsgründen aber nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden können, sondern nur als „Blickachse“ funktionieren. Außerdem, so der Architektursoziologe Harald Bodenschatz, reiche eine Legitimation für den Abriß nicht aus, die aus dem Ergebnis des „städtebaulichen Wettbewerbs Spreeinsel“ abgeleitet werde. Zwar prämierte die Jury auf den ersten Plätzen Arbeiten, die den Abriß vorsahen. Bodenschatz: „Bei den übrigen Preisen und Ankäufen kamen Arbeiten zum Zuge, die den Bau erhalten.“ Im Gesamtergebnis der Juryentscheidung sei die Abrißtendenz keineswegs so eindeutig, wie es die ersten Preise „suggerieren“.

In Wirklichkeit, so Bodenschatz, „zielt das Argument auf die Beseitigung eines Zeugnisses bedeutsamer, aber unliebsamer deutscher Geschichte“. Dazu würden der Denkmalschutz, die Bedeutung des Ortes und die Befindlichkeiten zur Geschichte einfach ignoriert. Ein Abriß ohne die fachliche und öffentliche Debatte gleiche daher einem Gewaltakt an der demokratischen Planungskultur, meint Bodenschatz. Für das Haus mit seiner besonderen Raumstruktur kann sich Simone Hain auch eine Nutzung vorstellen: „Die derzeitige Verwendung als Ausstellungsgebäude beweist doch, daß das Gebäude öffentlich genutzt werden kann.“ Rolf Lautenschläger