Für Licht, Luft und Lebensstil

■ Die Fotoausstellung „Eine Stadt braucht Luft“ betreibt Ehrenrettung der Nachkriegsmoderne

Die sogenannte 50er Jahre-Architektur steht beharrlich in dem Ruf, kleinkarriert, unattraktiv und spießig zu sein. Und betrachtet man sich nur die nach dem Krieg schnell hochgezogenen Mehrfamilienhäuser-Siedlungen und die meist niedrigen Büro-Kartons dieser Zeit, so ist ein derartiger Eindruck sicherlich nicht ganz falsch - obwohl gerechterweise gesagt werden muß, daß die nachfolgenden Jahrzehnte hier meist noch liebloser wüteten.

Stilprägend für diese Epoche aber waren Architekten, die man unter dem Sammelbegriff „Nachkriegsmoderne“ subsummieren kann und die aus den Lehren Le Corbusiers und des Neuen Bauens sowie den schwierigen Erfordernissen des Wiederaufbaues versuchten, eine Sprache zeitloser, schlichter Eleganz zu kreieren. Mißverständlich bezugnehmend auf diese schufen dann das Gros der Allerwelts- und Provinzarchitekten jenen 50er-Stil, der in weiten Stadtbereichen noch heute den wirtschaftswunderlichen Kleingeist zementiert.

Gerade Hamburg besitzt aber eine große Anzahl bedeutender Bauten der Nachkriegsmoderne, einer Epoche, die weit in die 60er hineinreicht: Grindelhochhäuser, Großmarkthalle, Alsterpavillon, Springer- oder Neue-Heimat-Hochhaus, das gerade abgerissene Kunsthaus oder die Gartenstadt Hohnerkamp sind bekannte und zur Zeit ihrer Entstehung auch berühmte Beispiele der Versuche, Licht, Luft und Lebenstil in die Architektur einziehen zu lassen.

Doch da man erst in den letzten Jahren damit begann, diesen baugeschichtlichen Abschnitt denkmalpflegerisch zu würdigen, sind die meisten der ehemals um Leich-tigkeit und klare Proportionen bemühten Bauten heute durch ignorante nachträgliche Eingriffe entstellt, übertüncht oder zerstört worden. Fensterverkleinerungen und -auswechselungen, Umbauten und Fassadenveränderungen, Anbauten oder Verwahrlosungen, kaum eines der Gebäude blieb von einer oder mehrerer derartiger Gesichtsoperationen verschont.

Um dem ursprünglichen Zustand und dem konzeptionellen Wollen der Architekten Recht zu tun, hat das Hamburgische Architekturarchiv jetzt eine Fotoausstellung organisiert, die mit Orginalbildern aus der Zeit der Fertigstellung eine Wahrnehmungskorrektur ermöglicht. Im Ernst Barlach-Haus, selbst ein wichtiges Beispiel der Nachkriegsmoderne (Architekt: Werner Kallmorgen), werden unter dem Titel Eine Stadt braucht Luft jene Architekten gewürdigt, die in den Jahren 1945-65 die entscheidenden Akzente ins Stadtbild setzten: Unter anderem Bernhard Hermkes, Ferdinand Streb, Rudolf Lodders, Fritz Trautwein, Werner Kallmorgen, Godber Nissen, Gustav Burmester, Hans Bernhard Reichow, Paul Seitz, Ernst May, Friedhelm Grundmann sowie der Gartenarchitekt Gustav Lüttge.

Die schön gestaltete Ausstellung weist neben den faszinierenden Fotos von der „aufgelockerten und gegliederten Stadt“ und ihrer dem freistehenden Solitär verpflichteten Architektur, wie sie die Leitbilder der damaligen Architektengeneration darstellten, eine kluge Erklärungsarbeit auf. Ausführlichen Lebensläufen der einzelnen Architekten hängen in den ihnen gewidmeten Quarrees und zusätzlich kann der Besucher Texte zu allen abgebildeten Gebäuden aus Haltern mitnehmen. Kurze Erläuterungen zur Geschichte, Konzeption und zum heutigen Zustand des Gebäudes lassen den Besucher mit seiner Neugier nicht alleine, wie es so viele Architektur-Ausstellungen leider tun. Till Briegleb

Ernst Barlach-Haus, Jenischpark, Di-So, 11-17 Uhr, bis 28.8.