: Selbststeuernde Minisysteme
Woher weiß der Airbag im Lenkrad unserer Nobelkarosse eigentlich, wann er sich aufzublasen hat und wann der Schlag an die Stoßstange nur ein Fehler beim Einparken ist? Er weiß es von einem kleinen Baustein unter der Motorhaube, der Geschwindigkeit, Abbremsung und Härte des Aufpralls mißt, sie bewertet und je nach Ergebnis den Befehl zum Aufpusten gibt oder nicht. Das kleine Wunderding ist ein Ergebnis der Mikrosystemtechnik. Mit dieser Technik sollen verschiedene Mini-Bauteile kombiniert werden. „Der Hauptgedanke in der Mikrosystemtechnik besteht darin, Sensoren, die Signalverarbeitung und Aktoren in miniaturisierter Bauform zu einem Gesamtsystem so zu vereinen, daß sie „empfinden“, „entscheiden“ und „reagieren“ können,“ heißt es dazu bei der „Actuator 94“, einer internationalen Konferenz, die noch bis zum 17.Juni im Park-Hotel stattfindet.
„Aktoren“ heißen die Bauelemente der Mikrosystemtechnik, die technische Prozesse steuern oder regeln sollen. Sie werden als „Muskeln der Mikroelektronik“ bezeichnet, weil sie kleine „selbständig handelnde“ Einheiten bilden. Da gibt es neben der Airbag-Steuerung vor allem die Anwendung von Aktoren bei der Abstimmung von Glasfaserkabeln: Wer die haarfeinen Kabel zusammenfügen will, braucht entweder eine unglaublich ruhige Hand oder einen Aktor: Das ist in diesem Fall ein Keramikmaterial, das sich durch Anlegen eines elektrischen Feldes blitzschnell und um den Bruchteil eines Millimeters ausdehnt. Damit kann die Verkopplung der Fasern auf den Millimeterbruchteil genau gesteuert werden.
Andere Aktoren besitzen ein „Formgedächtnis“: Durch Anlegen eines elektrischen Feldes zieht sich eine Feder aus einer bestimmten Metallegierung zusammen und bewegt sich danach wieder zurück in ihre Ausgangsposition. Der Vorteil zur mechanischen Feder: Der Aktor mit dem „Formgedächtnis“ kann den Vorgang so oft wie nötig wiederholen, ohne daß das material ermüdet oder ausleiert. Auch die Medizin hat nach Worten der Aussteller einen Verwendungszweck für die Aktoren. So werden winzige Insulinkapseln entwickelt, die in die Blutbahn implantiert werden. Ein sinkender Zuckerspiegel im Blut führt bei ihnen dazu, daß sie sich leicht verändern: sie öffnen eine Düse, aus der Insulin austritt und den Zuckerhaushalt reguliert.
Nach Angaben der Bremer Firma „Axon“, die die Tagung organisiert hat, steht die Mikrosystemtechnik an der Schwelle der flächendeckenden Umsetzung und Anwendung durch die Industrie. Auf der Messe sollen sich deshalb Entwickler und Anwender beschnuppern: Dieses Jahr sind trotz der Rezession 50 Prozent mehr Teilnehmer als bei der letzten Konferenz angerückt. bpo
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